Mitbestimmungsrecht Betriebsrat

Marc-Oliver Schulze
Marc-Oliver Schulze
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Datenschutzexperte

Spricht man vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, ist damit in der Regel immer die „echte“ oder auch erzwingbare Mitbestimmung gemeint. Mitbestimmung bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrats Entscheidungen treffen darf. Doch wann genau hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht? Und welche anderen Spielarten gibt es?

Mitbestimmungsrecht Betriebsrat

Wo ist die Mitbestimmung des Betriebsrats geregelt?

Die „echten“ Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats finden sich an mehreren Stellen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG):

  • § 87 BetrVG Soziale Angelegenheiten
  • § 91 BetrVG Menschengerechte Gestaltung der Arbeit
  • § 94 BetrVG Personalfragebogen und Beurteilungsgrundsätze
  • § 95 BetrVG Personelle Auswahlrichtlinien
  • §§ 97 f. BetrVG Einführung und Durchführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen
  • §§ 99 f. BetrVG Personelle Angelegenheiten
  • § 106 BetrVG Wirtschaftliche Angelegenheiten
  • § 111 ff. BetrVG Betriebsänderung

Die Mitbestimmung ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Man unterscheidet folgende Ausprägungen:

  • Informations- und Beratungsrechte
  • Anhörungsrechte
  • Zustimmungsverweigerungsrechte
  • Erzwingbare („echte“) Mitbestimmung

Stufe 1: Das Informations- und Beratungsrecht

Das Informations- und Beratungsrecht ist am schwächsten ausgeprägt und erstreckt sich vor allem auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat beispielsweise über Fragen der Unternehmensplanung rechtzeitig und umfassend informieren. Der Betriebsrat muss vom Arbeitgeber in Überlegungen miteinbezogen werden, bevor diese abgeschlossen sind. Denn nur so kann der Betriebsrat sein Beratungsrecht wahrnehmen.

Stufe 2: Das Anhörungsrecht

Will der Arbeitgeber zum Beispiel einem Beschäftigten kündigen, gilt das Anhörungsrecht. Das heißt: Der Betriebsrat kann zur beabsichtigten Kündigung Stellung nehmen. Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung, kann der Arbeitgeber aber trotzdem die Kündigung aussprechen. Klagt allerdings der Beschäftigte gegen seine Kündigung, bleibt er – unter bestimmten Voraussetzungen – bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens im Betrieb beschäftigt. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Stufe 3: Zustimmungsverweigerung

Hier geht es vor allem um personelle Angelegenheiten. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrates einholen, wenn er einen Mitarbeiter versetzen oder einen neuen Beschäftigten einstellen will. Lehnt der Betriebsrat die Entscheidung des Arbeitgebers ab, bleibt dem Arbeitgeber nur der Gang zum Arbeitsgericht. Dieses kann die Zustimmung des Betriebsrates ersetzen.

Stufe 4: Erzwingbare Mitbestimmung

Hierunter fallen vor allem die Tatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG – etwa Fragen der Arbeitszeitgestaltung und Urlaubsplanung. Auch Richtlinien der Personalpolitik und Fragen der Qualifizierung von Beschäftigten fallen darunter. Der Betriebsrat hat hier gegen den Arbeitgeber grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch, kann aber umgekehrt auch immer die Initiative ergreifen, wenn er einen bisher noch nicht geregelten Sachverhalt künftig geregelt haben möchte. Er kann dem Arbeitgeber also Regelungen vorschlagen und auf Verhandlungen drängen. Sperrt sich der Arbeitgeber, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen und eine Betriebsvereinbarung erzwingen.

Mitbestimmungsrecht als Wirksamkeitsvoraussetzung

Steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu, darf der Arbeitgeber nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrats eine Regelung treffen. Denn nur mit der Zustimmung entfaltet die jeweilige Regelung auch ihre Wirkung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern. Die Mitbestimmungsrechte schränken damit auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers ein. Er kann zum Beispiel eine Versetzung nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam umsetzen, selbst wenn es nach dem Arbeitsvertrag zulässig wäre.

Mitbestimmungsrecht bei Eil- und Notfällen

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch dann zu beachten, wenn der Arbeitgeber in Eilfällen – zum Beispiel Anordnung von Mehrarbeit im Falle von Maschinenausfällen – nur eine vorläufige Anordnung treffen will. Lediglich in Notfällen könnte das Mitbestimmungsrecht entfallen. Eilfälle sind dabei nicht genau vorhersehbare Ereignisse, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftreten. Notfälle hingegen sind völlig unvorhergesehene Ereignisse, mit deren Eintritt man vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Zum Beispiel: Eine Flutkatastrophe oder ähnliches.

Einigung kommt nicht zustande

Werden Arbeitgeber und Betriebsrat sich nicht einig – weil etwa der Betriebsrat bestimmte Auswertungen zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle im Rahmen der Anwendung von M365 nicht zulassen möchte – hat am Ende des Tages die Einigungsstelle zu entscheiden, § 76 Abs. 5 BetrVG.

Folgen der Missachtung der Mitbestimmung

Dem Betriebsrat stehen bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten – etwa aus § 87 Abs. 1 BetrVG – verschiedene Wege offen. So können Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden oder die Einigungsstelle zur Regelung der Angelegenheit angerufen werden. Und bei groben Verstößen kann ein Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG auf den Weg gebracht werden.

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