Betriebsratswahlen

Marc-Oliver Schulze
Marc-Oliver Schulze
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Datenschutzexperte

Betriebsräte werden grundsätzlich alle 4 Jahre im gleichen Zeitraum – von März bis Mai – gewählt. Die nächsten regulären Betriebsratswahlen sind von Anfang März bis Ende Mai 2026. Es lohnt sich bereits jetzt, einen Blick auf die gesetzlichen Neuerungen zu werfen und sich die „klassischen“ Fallstricke bei der Wahl in Erinnerung zu rufen. 

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Neuerungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Am 18. Juni 2021 ist das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt -Betriebsrätemodernisierungsgesetz (kurz: BRMG) in Kraft getreten. Dies hat neben Überarbeitungen im Kündigungsschutzgesetz und Sozialgesetzbuch IX v.a. Neuerungen im Betriebsverfassungsgesetz mit sich gebracht. Die wesentlichen Änderungen zur Wahl sollen im Folgenden überblicksmäßig dargestellt werden.

Erweiterter Kündigungsschutz für Wahlinitiatoren

Der alte § 15 Abs. 3a KSchG sah ab Aushang des Wahlausschreibens einen Kündigungsschutz für die ersten drei in der Einladung zur Wahlversammlung genannten Arbeitnehmer*innen vor. Der neue § 15 Abs. 3a KSchG erweitert den Personenkreis der vor einer Kündigung geschützten Arbeitnehmer*innen die zur Betriebsversammlung für die Wahl des Wahlvorstandes einladen von drei auf sechs. 

Alternativ haben die ersten drei in der Antragstellung beim Arbeitsgericht genannten Arbeitnehmer*innen besonderen Kündigungsschutz. Dieser setzt neben ersten Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats eine Absichtserklärung in Form einer öffentlich beglaubigte Erklärung gemäß § 129 BGB voraus. 

Der Kündigungsschutz endet mit der Einladung zur Wahlversammlung, spätestens jedoch drei Monate nach der Beglaubigung. Er bezieht sich auf verhaltens- und personenbezogene (ordentliche) Kündigungen. Notwendige betriebsbedingte ordentliche Kündigungen bleiben hingegen auch ab diesem Zeitpunkt unverändert möglich.

Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens

Um die Gründung von Betriebsratsgremien in Kleinbetrieben zu erleichtern, wurde im Rahmen des BRMG die Möglichkeit ausgeweitet im vereinfachten Wahlverfahren zu wählen. Sah der (alte) § 14a Abs. 1 S. 1 BetrVG das vereinfachte Wahlverfahren noch für Betriebe mit in der Regel fünf bis fünfzig wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen zwingend vor sind es nun fünf bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen. Auch die Möglichkeit, zwischen Arbeitgeber und Wahlvorstand die Wahl im vereinfachten Wahlverfahren zu vereinbaren wurde erweitert. So wurde in § 14a Abs. 5 BetrVG die Angabe „in der Regel 51 bis 100“ durch „in der Regel 101 bis 200“ wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen ersetzt. Damit können nun auch Gremien mit bis zu sieben Mitgliedern im vereinfachten Wahlverfahren gewählt werden das sich durch formelle Erleichterungen im Wahlverfahren und kürzere Fristen als im normalen Wahlverfahren auszeichnet. Dies bedeutet eine weitere Stärkung der Belegschaft – gerade in Betrieben, die noch keine Interessenvertretung haben. 

Herabsetzung des Wahlalters

Doch damit nicht genug. Ebenfalls überarbeitet wurde § 7 BetrVG, der die Voraussetzungen der Wahlberechtigung – das aktive Wahlrecht – regelt. Nach Satz 1 sind nun alle Arbeitnehmer*innen des Betriebs wahlberechtigt, die das 16. statt vorher 18. Lebensjahr vollendet haben. Es fand damit eine Absenkung des Wahlalters für Betriebsratswahlen statt. Wer hier den Fehler macht, erst Kollegen*innen zur Wahl zuzulassen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, riskiert die Anfechtung der BR-Wahl. 

Weniger Stützunterschriften

Auch beim Thema Stützunterschriften – erforderlich für wirksam eingereichte Vorschlagslisten – hat sich eine Erleichterung durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ergeben. Hier fand eine Überarbeitung des § 14 Abs. 4 BetrVG statt. Grundsätzlich dient das Erfordernis Vorschlagslisten nur mit einer ausreichenden Anzahl an Stützunterschriften zuzulassen dazu, völlig aussichtlose, bzw. nicht ernst gemeinte Wahlvorschläge zu verhindern. Um Betriebsratswahlen in kleineren Betrieben zu erleichtern, wurde die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften reduziert. So sind in Betrieben mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen nun gar keine Stützunterschriften mehr erforderlich (§ 14 Abs. 4 S. 1 BetrVG). Für Wahlvorschläge in Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen reichen nun Stützunterschriften von mindestens zwei wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen und in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 Wahlberechtigten mindestens 1/20 (§ 14 Abs. 4 S. 2 BetrVG). In jedem Fall sollen nach § 14 Abs. 4 S. 3 BetrVG die Unterzeichnung von 50 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen ausreichen. 

Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit

Eine große Relevanz für die anstehende BR-Wahl 2022 hat auch die Erweiterung des § 19 BetrVG um einen Absatz 3. Grundsätzlich kann die BR-Wahl innerhalb von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, angefochten werden. Anfechtungsberechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder – und das ist der häufigste Fall – der Arbeitgeber (vgl. § 19 Abs. 2 BetrVG). Voraussetzung für die Wahlanfechtung beim zuständigen Arbeitsgericht ist nach Abs. 1 jedoch, dass gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht (§ 7 BetrVG), die Wählbarkeit (§ 8 BetrVG) oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine (zulässige) Berichtigung nicht erfolgt ist. Abweichendes gilt nur dann, wenn der Verstoß keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatte.

Der neu eingefügte § 19 Abs. 3 BetrVG schließt nun die Wahlanfechtung durch drei Wahlberechtigte aus, wenn sie auf die Unrichtigkeit der Wählerliste gestützt wird und nicht zuvor hiergegen ordnungsgemäß Einspruch gemäß § 4 WO eingelegt wurde.

Der Arbeitgeber hingegen ist die Anfechtung verwehrt, wenn er sie darauf stützt, dass die Wählerliste unrichtig ist, die Unrichtigkeit aber auf seinen Angaben beruht. Dies ist auch nur konsequent, ist es doch er, der den Wahlvorstand mit den für die Erstellung und Aktualisierung der Wählerliste (§ 2 WO) erforderlichen Informationen versorgt.

Auch diese Ergänzung im Betriebsverfassungsgesetz soll für mehr Rechtsicherheit bei der Wahl sorgen.

Geplante Änderungen der Wahlordnung

Neben den Änderungen durch das BRMG soll auch die Wahlordnung reformiert werden. Der bereits veröffentlichte Verordnungsentwurf wird voraussichtlich am 8. Oktober 2021 vom Bundesrat verabschiedet und anschließend verkündet. 

Sitzungen per Video- und Telefonkonferenz

Wie bereits für Betriebsräte durch das BRMG in § 30 BetrVG vorgesehen, sollen dann auch die Wahlvorstände ihre Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz abhalten können. 

Neben Präsenzsitzungen sind dann grundsätzlich auch Hybrid-, bzw. reinen Telefon-/Videokonferenzen möglich. 

Wie für den Betriebsrat in § 30 BetrVG vorgesehen wird auch für den Wahlvorstand die Präsenzsitzung vorrangig bleiben. Eine Abweichung hiervon liegt im Ermessen des Wahlvorstands und ist nur durch entsprechenden Beschluss möglich. In diesem Beschluss können auch Voraussetzungen für die Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen getroffen werden.

In jedem Fall ausgeschlossen bleiben Video- und Telefonkonferenzen für folgende Aufgaben des Wahlvorstands:

  • Die Prüfung eingereichter Vorschlagslisten (§ 7 WO),
  • Die Nachprüfung fristgerecht eingereichter Vorschlagslisten mit behebbarem Mangel (§ 8 Abs. 2 WO),
  • Die Durchführung des Losverfahrens (§ 10 WO),
  • Die (betriebs-) öffentliche Stimmauszählung (§ 13 WO),
  • Die Bearbeitung fristgerecht per Briefwahl eingegangener Stimmen (§ 26 WO). 

Korrektur der Wählerliste

Ebenfalls neu ist die längere Frist für Korrekturen an der Wählerliste nach § 2 WO, also der Liste, die alle aktiv und passiv wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen ausweist. Diese durfte selbst bei offensichtlicher Unrichtigkeit nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe (Wahltag) berichtigt werden. Zukünftig dürfen Korrekturen an der Wählerliste noch bis zum Abschluss der Stimmabgabe am Wahltag vorgenommen werden. Damit können selbst Arbeitnehmer*innen, die am Wahltag ihre Tätigkeit aufnehmen bereits von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen, sofern sie vom Wahlvorstand auf die Wählerliste gesetzt werden.

Bekanntgabe des Wahlausschreibens

Nach § 3 Abs. 4 WO hat der Wahlvorstand einen Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Ergänzend kann das Wahlausschreiben mit der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik (im Intranet) veröffentlicht werden. 

Nun wurde die Bekanntmachung des Wahlausschreibens um die Pflicht ergänzt, die in § 24 Abs.2 WO genannten abwesenden Wahlberechtigten unaufgefordert per Post oder E-Mail das Wahlausschreiben zuzusenden. 

Unaufgeforderte Zusendung von Briefwahlunterlagen

Dasselbe gilt für die Zusendung der Briefwahlunterlagen. Bisher war die unaufgeforderte Zusendung der Briefwahlunterlagen an besondere Voraussetzungen geknüpft. Es musst sich um Wahlberechtigte handeln, von denen der Wahlvorstand wusste, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein würden, da sie insbesondere im Außendienst, Telearbeit oder Heimarbeit beschäftigt sind. 

Um möglichst vielen Wahlberechtigten die Teilnahme an der Betriebsratswahl zu ermöglichen, kommt es nun nicht mehr nur auf die Eigenart der Arbeit an, sondern allein darauf, ob Beschäftigte längere Zeit nicht im Betrieb anwesend sind. Damit sind z.B. auch Arbeitnehmer*innen in Elternzeit oder Langzeitkranke unaufgefordert mit Briefwahlunterlagen zu versorgen, soweit sie voraussichtlich vom Tag des Erlasses des Wahlausschreibens bis zum Wahltag abwesend sind. Die Briefwahl bleibt aber die Ausnahme. Allein der Wunsch durch Briefwahl abzustimmen, reicht auch zukünftig nicht aus.

Wegfall der Wahlumschläge

Eine weitere Neuerung ist der Wegfall der Wahlumschläge bei der Präsenzwahl. Bisher war der Einsatz von Wahlumschlägen zwingend vorgeschrieben. Dies ist mit der Reformierung der WO nicht mehr der Fall. Der Verzicht auf Wahlumschläge im neu gefassten § 11 WO reduziert nicht nur die Kosten der BR-Wahl, sondern schont Ressourcen. Zudem wird der Zeitaufwand bei der Auszählung der Stimmen und Feststellung des Wahlergebnisses verringert.

Zeitpunkt für Auswertung der per Briefwahl abgegebenen Stimmen

§ 26 Abs. 1 S. 1 WO sah bisher vor, dass der Wahlvorstand unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe im Wahllokal in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Freiumschläge öffnen und die Wahlumschläge nebst Erklärungen entnehmen musste. Bei ordnungsgemäßer Briefwahl war die Stimmabgabe in der Wählerliste zu vermerken und der Wahlumschlag ungeöffnet in die Wahlurne zu legen. Nach Auffassung des BAG (vom 20.05.2020, 7 ABR 42/18) stand dem Wahlvorstand bei der Bestimmung des richtigen Zeitpunkts für die Bearbeitung der per Briefwahl eingegangenen Stimmen einen Ermessenspielraum zu, der einer gerichtlichen Überprüfung Stand halten musste.

Um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und die Gefahr einer Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG zu verringern sind die schriftlich abgegebenen Stimmen zukünftig zu Beginn der betriebsöffentlichen Stimmauszählung und damit erst nach der Stimmabgabe vor Ort zu bearbeiten.

Festlegung der Uhrzeit bei Fristen

Bei der Durchführung der BR-Wahl sind eine Fülle von Fristen zu beachten. Neben variablen Fristen, die vom Wahlvorstand zwar nicht unterschritten, aber verlängert werden dürfen (Erlass des Wahlausschreibens nach § 3 WO), gibt es auch starre Fristen (u.a. Zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens für Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste gemäß § 4 WO, sowie die Einreichung von Vorschlagslisten, § 6 WO). 

Grundsätzlich richtet sich die Berechnung von Fristen bei der BR-Wahl nach den Vorgaben der §§ 187 ff. BGB, vgl. § 41 WO. So endet gemäß § 188 Abs. 2 BGB eine Frist die nach Wochen bestimmt ist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, die dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt um 24:00 Uhr.

Das BAG (vom 16.01.2018, 7 ABR 11/16) vertrat bisher die Auffassung, dass es ins Ermessen des Wahlvorstands gestellt wird, eine feste Uhrzeit im Wahlausschreiben festzulegen, bis wann Vorschlagslisten, Wahlvorschläge und etwaige Erklärungen dazu sowie Einsprüche gegen die Wählerliste beim Wahlvorstand spätestens eingehen sollen. Hierbei konnte das Ende der betriebsüblichen Arbeitszeit als Zeitpunkt festgelegt werden. Diese Rechtsprechung des BAG hat nun auch ihren Weg in die Wahlordnung gefunden – ein weiterer Schritt für mehr Rechtssicherheit bei der Durchführung der BR-Wahl.

Fazit

Ihr seht – beim Thema BR-Wahlen hat sich einiges getan. Die Neuerungen durch das BRMG, aber auch der WO sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Sie erleichtern nicht nur die Gründung von Betriebsräten, die in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, sondern sorgen auch für mehr Rechtssicherheit bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl durch den Wahlvorstand.

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