Arbeitsgericht

Marc-Oliver Schulze
Marc-Oliver Schulze
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Datenschutzexperte

Das Wichtigste zum Arbeitsgericht in Kürze

  • Grundsätzlich: Arbeitsgerichte entscheiden Rechtsstreitigkeiten im Individualarbeitsrecht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie im Kollektivarbeitsrecht zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern.
  • Wichtig: Sofern Sie keine Rechtsschutzversicherung haben und nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die Verfahrenskosten zu tragen, kann Prozesskostenhilfe beantragt werden.
  • Tipp: Es empfiehlt sich, einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen, der Sie im Rahmen des Gerichtsverfahrens berät und vertritt.
arbeitsgericht

Will eine Arbeitsvertragspartei die andere verklagen, muss sie vor das Arbeitsgericht ziehen. In den meisten Fällen klagt ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber. Das ist auf die grundsätzliche Überlegenheit des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis zurückzuführen. Besonders für Arbeitnehmer hat das Arbeitsgericht daher eine zentrale Bedeutung bei der Durchsetzung ihrer Rechte.

Was ist die Arbeitsgerichtsbarkeit?

Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten gibt es eine eigene Gerichtsbarkeit. Sie werden also nicht wie andere Rechtsstreitigkeiten vor Amts- oder Landgerichten verhandelt, sondern vor speziellen Arbeitsgerichten.

Zu unterscheiden sind Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht.

In erster Instanz sind stets die Arbeitsgerichte zuständig. Soll also erstmals eine Klage erhoben werden, muss dies vor einem Arbeitsgericht geschehen.

Verhandelt wird hier zunächst nur vor dem Einzelrichter – in der sog. Güteverhandlung. Und im zweiten Schritt – wenn es zu keiner Einigung kommt – vor der sog. Kammer. Sie besteht aus einem Berufsrichter, welcher als Vorsitzender bezeichnet wird, und zwei ehrenamtlichen Richtern. Ein ehrenamtlicher Richter stammt aus Arbeitnehmerkreisen und der andere aus Arbeitgeberkreisen. 

Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht sind ausschließlich in zweiter bzw. dritter Instanz zuständig. Sie werden also nur tätig, wenn Prozessparteien mit der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts unzufrieden sind und deshalb wirksam Rechtsmittel dagegen einlegen. Einzelheiten zur Arbeitsgerichtsbarkeit werden durch das Arbeitsgerichtsgesetz geregelt.

Welche Streitigkeiten regelt das Arbeitsgericht?

Das Arbeitsgericht ist im Individualarbeitsrecht zuständig für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. 

In den meisten Fällen streiten die Parteien über den Bestand bzw. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. So entscheidet das Arbeitsgericht etwa über die Wirksamkeit einer Kündigung oder einer Befristung des Arbeitsverhältnisses. 

Rechtsstreitigkeiten können auch sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis betreffen, wie etwa Lohnzahlung, Urlaub oder Zeugniserteilung. Ebenso sind Schadensersatzforderungen in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen.Das Arbeitsgericht ist zudem im Kollektivarbeitsrecht zuständig für Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten über Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz, § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Die Rechtsstreitigkeiten betreffen etwa die Wahl des Betriebsrats, seine Rechte und Pflichten sowie den Umfang der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers.

Welches Arbeitsgericht ist örtlich zuständig?

In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Arbeitsgerichten. In jedem Bundesland findet sich mindestens ein Arbeitsgericht. In großen Bundesländern gibt es sogar regelmäßig mehrere Arbeitsgerichte. Aus Organisationsgründen werden diese Bundesländer in verschiedene Bereiche unterteilt, sog. Gerichtsbezirke. Ein Gerichtsbezirk kann sich über mehrere Landkreise, Gemeinden bzw. Städte erstrecken. Für jeden Gerichtsbezirk ist genau ein Arbeitsgericht zuständig. 

Welches Arbeitsgericht für eine bestimmte individualarbeitsrechtliche Streitigkeit örtlich zuständig ist, lässt sich anhand verschiedener Kriterien bestimmen. Am relevantesten für die Klage eines Arbeitnehmers sind die beiden folgenden:

  • Zum einen ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Sitz der beklagten Partei liegt. Sofern Sie Ihren Arbeitgeber verklagen, kommt es also auf seinen Sitz an. Handelt es sich bei ihm um eine einzelne Person, ist sein Wohnsitz entscheidend. Handelt es sich hingegen um eine Gesellschaft (bspw. KG, GmbH, AG), ist der Gesellschaftssitz maßgeblich, §§ 13, 17 ZPO.
  • Zum anderen ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet bzw. zuletzt verrichtet hat, § 48 Abs. 1 a ArbGG.

Befinden sich der Sitz des Arbeitgebers und der Arbeitsort in unterschiedlichen Gerichtsbezirken, sind für die Klage des Arbeitnehmers somit mehrere Arbeitsgerichte örtlich zuständig. In diesem Fall kann er frei entscheiden, vor welchem Gericht er die Klage erhebt, § 35 ZPO.

Für kollektivarbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten ist hingegen einheitlich das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Betrieb liegt, § 82 Abs. 1 S. 1 ArbGG. In Angelegenheiten des Gesamtbetriebsrats und des Konzernbetriebsrats ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Unternehmen seinen Sitz hat, § 82 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Kann man sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen?

Kläger und Beklagter können den Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht grundsätzlich selbst führen, § 11 Abs. 1 ArbGG. Allerdings haben sie auch die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen, § 11 Abs. 2 S. 1 ArbGG. 

Arbeitsrechtsstreitigkeiten können umfangreich und komplex werden. Zudem müssen strenge prozessuale Vorgaben beachtet werden. Daher empfiehlt sich die Rechtsberatung und Prozessführung durch einen Rechtsanwalt, insb. durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Der Rechtsanwalt erklärt Ihnen zunächst die rechtlichen Zusammenhänge Ihres Sachverhalts und berät Sie umfassend über die Erfolgsaussichten einer Klage. Damit er Sie während des Rechtsstreits vertreten kann, benötigt er eine Vollmacht, welche regelmäßig schriftlich erteilt wird. Dadurch wird er etwa berechtigt, Klagen und Schriftsätze für Sie zu verfassen und beim Arbeitsgericht einzureichen. Zudem darf er Sie zu Gerichtsterminen begleiten oder diese auch allein wahrnehmen – solange nicht Ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich vom Gericht angeordnet worden ist.

Wer trägt die Verfahrenskosten?

Wird eine Rechtsstreitigkeit vor dem Arbeitsgericht verhandelt, entstehen regelmäßig Verfahrenskosten. Welche Kosten anfallen und wer sie zu tragen hat, unterscheidet sich je nachdem, ob es sich um eine individualarbeitsrechtliche Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder um eine kollektivarbeitsrechtliche Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber handelt.  

Rechtsanwaltsgebühren

Lässt sich der Arbeitnehmer im Rahmen einer individualarbeitsrechtlichen Streitigkeit von einem Rechtsanwalt vertreten, entstehen Rechtsanwaltsgebühren. Die Berechnung richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Jede Prozesspartei hat die Kosten für ihren eigenen Rechtsanwalt selbst zu tragen. Die obsiegende Partei kann also keine Kostenerstattung von der unterlegenen Partei verlangen, § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG.

Bei kollektivarbeitsrechtlichen Streitigkeiten des Betriebsrats greift hingegen die allgemeine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Danach trägt der Arbeitgeber alle Kosten, welche durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehen. Dazu zählen auch die Kosten einer gerichtlichen Klärung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Sofern der Betriebsrat einen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Gerichtsverfahren beauftragt, hat der Arbeitgeber also grundsätzlich die entstehenden Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen (BAG vom 29.07.2009, 7 ABR 95/07).

Gerichtsgebühren

In individualarbeitsrechtlichen Verfahren fallen Gerichtsgebühren nur an, wenn die Kammer den Rechtsstreit entscheiden muss. Erledigt sich das Verfahren hingegen durch einen Vergleich, fallen keine Gerichtskosten an. Die Gebühren entstehen erst in dem Moment, in dem die Entscheidung ergeht. Zu Beginn des Verfahrens ist also kein Vorschuss zu leisten. Sind Gerichtsgebühren entstanden, müssen diese von der unterlegenen Partei gezahlt werden, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

In kollektivarbeitsrechtlichen Verfahren entstehen hingegen keine Gerichtskosten, § 2 Abs. 2 GKG i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG

Rechtsschutzversicherung

Angesichts der unter Umständen hohen Verfahrenskosten lohnt es sich für Arbeitnehmer regelmäßig, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Sofern Ihre Versicherung eine Kostendeckungszusage für den jeweiligen Rechtsstreit erteilt, übernimmt sie die anfallenden Gebühren. Sie müssen lediglich den ggf. vereinbarten Selbstbeteiligungsanteil tragen. 

Prozesskostenhilfe

Haben Arbeitnehmer weder eine Rechtsschutzversicherung noch die finanziellen Mittel, um die Verfahrenskosten selbst zu tragen, gibt es die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu beantragen. 

Wird Ihnen dies bewilligt, übernimmt der Staat die Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren vollständig oder zumindest teilweise. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können und dass eine hinreichende Chance besteht, den Rechtsstreit zu gewinnen, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Prozesskostenhilfe und die Beiordnung des Rechtsanwalts müssen beim zuständigen Arbeitsgericht beantragt werden. Zusätzlich ist ein Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei auszufüllen und inklusive Belegen einzureichen.

Aber Achtung: Das Arbeitsgericht kann innerhalb der ersten vier Jahre nach Beendigung des Rechtsstreits die Entwicklung Ihrer finanziellen Verhältnisse nachprüfen. Hat sich Ihre wirtschaftliche Lage wesentlich verbessert, können sie verpflichtet werden, die Verfahrenskosten vollständig oder teilweise zurückzuzahlen.

Wie läuft ein Gerichtsverfahren ab?

Ein Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht zur Verhandlung einer individualarbeitsrechtlichen Streitigkeit läuft typischerweise in den drei folgenden Schritten ab. 

Klageerhebung

Das Verfahren wird dadurch eingeleitet, dass der Kläger eine Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhebt.

Handelt es sich um eine Kündigungsschutzklage ist eine Besonderheit zu beachten: Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben werden, § 4 S. 1 KSchG. Versäumt der Arbeitnehmer diese Frist, gilt die Kündigung automatisch als wirksam, § 7 KSchG. Ob sie tatsächlich wirksam oder unwirksam war, ist dann irrelevant und wird nicht mehr überprüft. Die Frist ist daher unbedingt einzuhalten. Sofern Sie einen Rechtsanwalt hinzuziehen wollen, sollten Sie ihn zeitnah nach Erhalt der Kündigung kontaktieren.

Gütetermin

Nach Klageerhebung bestimmt das Arbeitsgericht einen Termin zur sog. Güteverhandlung.

In dieser Verhandlung ist zunächst nur der Vorsitzende anwesend. Er erörtert mit den Prozessparteien den Streitgegenstand und versucht, eine gütliche Einigung zwischen ihnen zu erreichen, § 54 Abs. 1 ArbGG. Sofern die Parteien sich auf einen Kompromiss einigen, kann ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen werden. Im Falle einer Kündigungsschutzklage beinhaltet der Vergleich regelmäßig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Mit Abschluss des Vergleichs ist der Rechtsstreit erledigt. 

Scheitert der Einigungsversuch hingegen, setzt der Vorsitzende einen Termin für die streitige Verhandlung vor der Kammer fest, § 54 Abs. 4 ArbGG.

Kammertermin

Bevor der sog. Kammertermin stattfindet, wird die Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet, § 56 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ArbGG. Der Kläger hat seine Ansicht bereits in der Klage dargestellt. Nun muss der Beklagte innerhalb einer vom Arbeitsgericht gesetzten Frist hierzu Stellung nehmen. Anschließend wird wiederum dem Kläger eine Frist gesetzt, um darauf in einem weiteren Schriftsatz zu antworten. 

Die streitige Verhandlung erfolgt mündlich im Gerichtssaal. Anwesend ist die gesamte Kammer, also der Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter. Vollständig virtuelle Sitzungen oder virtuelle Sitzungsteilnahmen einzelner Beteiligter sind ausnahmsweise möglich, sofern das Gericht diese auf Antrag oder von Amts wegen gestattet, § 128a ZPO. 

Im Rahmen der Verhandlung müssen die Parteien ihre jeweiligen Anträge stellen und alle relevanten Tatsachen vortragen. Sofern Unklarheiten über einzelne Tatsachen bestehen, führt das Gericht eine Beweisaufnahme durch. Hier werden bspw. Zeugen gehört.

Führt die Verhandlung zu einer Einigung der Parteien, kann auch in der streitigen Verhandlung noch ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen werden. Andernfalls berät sich die Kammer und trifft danach eine Entscheidung. Das Urteil ist unter Nennung der wesentlichen Entscheidungsgründe zu verkünden. 

Nach dem Gerichtstermin wird das Urteil schriftlich abgefasst und den Parteien zugestellt. Ist eine Partei damit nicht einverstanden, kann sie dagegen das Rechtsmittel der Berufung einlegen. 

Besonderheiten bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten

Während im Individualarbeitsrecht das Urteilsverfahren Anwendung findet, werden betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im sog. Beschlussverfahren entschieden. Dieses läuft vergleichbar zum Urteilsverfahren ab, da grundsätzlich dieselben gesetzlichen Vorschriften gelten. Allerdings gibt es einige Besonderheiten

Die Handelnden werden nicht Kläger und Beklagter genannt, sondern Beteiligte.  Es gibt also Antragsteller und Antragsgegner. Das Gerichtsverfahren wird auf Antrag eingeleitet. Hierzu ist eine schriftliche Antragsschrift beim Arbeitsgericht einzureichen, § 81 Abs. 1 ArbGG.

Anders als im Urteilsverfahren ist die Güteverhandlung im Beschlussverfahren nicht zwingend vorgesehen – aber regelmäßig üblich, um eine frühe gütliche Einigung zu erwirken, § 80 Abs. 2 S.2 ArbGG. 

Anders als im Urteilsverfahren, erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten müssen die relevanten Tatsachen also nicht beweisen. Allerdings haben sie an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, § 83 Abs. 1 ArbGG.

Eine mündliche Verhandlung muss nicht zwingend stattfinden. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht seine Entscheidung auch ohne eine solche treffen, § 83 Abs. 4 S. 3 ArbGG. Die Kammer entscheidet nicht durch Urteil, sondern durch einen Beschluss, § 84 ArbGG.


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