Vorzeitiger Urlaubsabbruch

Marc-Oliver Schulze
Marc-Oliver Schulze
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Datenschutzexperte

Das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof beherrschte Anfang August 2014 die Schlagzeilen. Personalengpässe führten zu starken Beeinträchtigungen des Zugverkehrs. Probleme wie Zugausfälle und Verspätungen gehörten zur Tagesordnung. Um Reisende baldmöglichst wieder planmäßig zu befördern, appellierte das Unternehmen an seine Angestellten, vorzeitig aus dem Urlaub zurückzukehren. Fraglich ist jedoch, ob ein Chef seine Mitarbeiter überhaupt frühzeitig aus dem Urlaub zurückholen darf?

Urlaub darf normalerweise nicht unterbrochen werden

Der jährliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt. Demnach hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von mindestens 24 Werktagen. Dieser gesetzlich festgelegte Mindesturlaub darf weder bei den Ausführungen im Arbeitsvertrag noch bei der Angabe der Urlaubsdauer in Tarifverträgen unterschritten werden. Grundsätzlich erfolgt die Bewilligung bzw. Nichtbewilligung von Urlaubsanträgen durch den Arbeitgeber. Dieser muss vor der Urlaubserteilung entscheiden, ob er dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub gewährt oder dessen Urlaubswunsch wegen dringender betrieblicher Belange i.S.v. § 7 Abs. 1 BUrlG ablehnt. Hat der Arbeitgeber den Urlaub bewilligt und dies dem Arbeitnehmer mitgeteilt, so ist er an diese Erklärung gebunden und kann den Arbeitnehmer nicht aus dem Urlaub zurückrufen. Der Arbeitgeber hat demnach keinen Anspruch auf Urlaubsunterbrechung.

Ständige Abrufbereitschaft steht Erholung entgegen

Eine Vereinbarung, in der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, den Urlaub abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen ist rechtsunwirksam, so das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2000. Im vorliegenden Fall wurde ein Software-Entwickler durch seinen Arbeitgeber aufgefordert, seinen bereits bewilligten Urlaub zu verschieben. Als Begründung gab dieser an, dass der Angestellte als einziger Mitarbeiter die erforderliche Kenntnis der einzusetzenden Programmiersprache beherrscht und daher für die Durchführung von äußerst dringenden Arbeiten benötigt wird (Urteil v. 20.06.2000, Az. 9 AZR 405/99). Sinn und Zweck des gesetzlich festgelegten Erholungsurlaubs sei es, dem Arbeitnehmer eine uneingeschränkte Freizeiteinteilung zu ermöglichen. Dies sei jedoch nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz Freistellung ständig abrufbereit für den Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss. Eine solche Alarmbereitschaft lasse sich mit der Gewährung des gesetzlich bestimmten Erholungsurlaubs nicht vereinbaren, so das Gericht in seiner Entscheidung.

Soziale Aspekte sind bei Urlaubsbewilligung zu berücksichtigen

Das Bundesurlaubsgesetz regelt generell auch die persönlichen Vorstellungen des Arbeitnehmers in der Urlaubsplanung. Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs werden prinzipiell auch die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers mit berücksichtigt – es sei denn, diesen stehen dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten zu bevorzugen sind, entgegen. Sind z.B. betriebliche Schwierigkeiten vorauszusehen, weil mehrere Arbeitnehmer im selben Zeitraum Urlaub beantragen, so ist der Urlaub demjenigen zu gewähren, der unter Berücksichtigung sozialer Kriterien den Vorzug erhält. Der einzige Nachteil, der sich für den Angestellten ergeben kann ist, dass der Urlaub nicht zusammenhängend gewährt wird, d.h. eine Teilung des Urlaubs erfolgt. Dennoch steht einem Arbeitnehmer, der einen Urlaubsanspruch von mehr als zwölf Werktagen hat, ein zusammenhängender Urlaub aus mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Werktagen zu (§ 7, Abs. 1 BUrlG).

Gründe, die den Urlaubsabbruch rechtfertigen

In der juristischen Literatur und in der Rechtsprechung ist umstritten, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, dass der Urlaub auf Veranlassung des Arbeitgebers vorzeitig abgebrochen werden darf. Sofern man dem Arbeitgeber eine solche Möglichkeit eröffnen möchte ist allerdings zu beachten, dass ein Rückruf aus dem Urlaub allenfalls in extrem gelagerten Ausnahmesituationen möglich sein kann. Erforderlich ist insofern, dass der Betrieb durch das Festhalten des Arbeitnehmers an seinen Urlaubswunsch in seiner Existenz gefährdet ist. Solche Konstellationen dürften in der Praxis im Grunde kaum vorkommen!