Arbeitgeberinsolvenz und Gehaltsrückstände
Das Wichtigste zur Arbeitgeberinsolvenz in Kürze
- Grundsätzlich: Zahlt der Arbeitgeber die Gehälter nur teilweise, häufig verspätet oder überhaupt nicht mehr, ist das oft ein Anzeichen für eine drohende Insolvenz.
- Wichtig: Bei einem offiziellen Insolvenzverfahren steht Ihnen als Arbeitnehmer in der Regel Insolvenzgeld zu.
- Tipp: Bei regelmäßig ausbleibenden Gehältern bzw. Löhnen – auch unabhängig von einer Insolvenz – sollten Sie sich von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
Bei einer Insolvenz steht für den Arbeitnehmer immer viel auf dem Spiel. Der Arbeitsplatz, das Gehalt und die daran hängende komplette Existenz sind bedroht. Trotzdem müssen Arbeitnehmer, auch wenn es schwerfällt, nicht in Panik zu geraten, Ruhe bewahren. Denn auch im Falle einer Insolvenz gibt es für Arbeitnehmer viele Möglichkeiten, zumindest die Gefahr von finanziellen Verlusten gering zu halten.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Ansprüche bei Entgeltrückständen, wenn Insolvenzverfahren eröffnet wurde
- 2 Voraussetzungen für das Insolvenzgeld
- 3 Was passiert mit den Forderungen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber?
- 4 Bedeutung einer Insolvenz für den Betriebsrat
- 5 To-do-Liste im Falle der (drohenden) Insolvenz des Arbeitgebers
- 6 Gehaltsrückstände ohne (drohende) Insolvenz
- 7 Aktuelle Beiträge zum Thema Arbeitgeberinsolvenz
Ansprüche bei Entgeltrückständen, wenn Insolvenzverfahren eröffnet wurde
Arbeitnehmer, die ihr Gehalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ausgezahlt bekommen haben, haben einen Anspruch auf Insolvenzgeld. Die Höhe des Insolvenzgeldes entspricht dem bereinigten Nettoeinkommen und wird vom Arbeitsamt getragen. Außerdem werden in diesen Fällen auch die Sozialversicherungs- und Krankenkassenbeiträge übernommen.
Voraussetzungen für das Insolvenzgeld
- Die Insolvenz muss vom Insolvenzgericht eröffnet worden sein
oder
ein Insolvenzantrag wurde gestellt, jedoch wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet
oder
die Betriebstätigkeit wurde vollständig beendet und es wurde kein Antrag auf Insolvenz gestellt wegen offensichtlicher Masselosigkeit. - Der Entgeltausfall war in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
oder
der Entgeltausfall war in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses und das Arbeitsverhältnis endete vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
oder
wenn der Arbeitnehmer nichts von der Insolvenz wusste bei Entgeltausfall innerhalb von drei Monaten vor dem Tag, an dem er von der Insolvenz Kenntnis erlangte Beispiel: Wenn das Insolvenzverfahren am 1. Oktober eröffnet wurde, kann bei Entgeltausfall das Insolvenzgeld vom 1. Juli bis 30. September geltend gemacht werden. Erlangt der Arbeitnehmer erst am 1. November von der Insolvenz Kenntnis (weil er z.B. im Urlaub oder krank war), kann er für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Oktober Insolvenzgeld beantragen. - Das Insolvenzgeld muss innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis bei dem zuständigen Arbeitsamt beantragt worden sein.
- Der Beantragende muss Arbeitnehmer sein. Das bedeutet, Selbstständige haben keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, jedoch können auch Geringverdiener (Minijobber) Insolvenzgeld beantragen.
Was passiert mit den Forderungen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber?
- Entgeltforderungen außerhalb des Bezugszeitraums für Insolvenzgeld
Für Forderungen vor dem Bezugszeitraum für Insolvenzgeld ist zu beachten, dass tarifvertragliche oder im Arbeitsvertrag festgelegte Ausschlussfristen eingehalten werden.
Ausschlussfristen bewirken, dass Ansprüche verfallen, wenn sie nicht in dem vorgeschriebenen Zeitraum und in der vorgeschriebenen Art geltend gemacht werden.
Die Geltendmachung ist je nach verwendeter Klausel die Mahnung oder die Mahnung und Klage bei Ablehnung vor dem Arbeitsgericht. Allerdings ist zu beachten, dass diese Forderungen Insolvenzforderungen sind und dementsprechend nur prozentual aus der Masse befriedigt werden.
Die Maßnahmen zur Geltendmachung der Forderungen sollten also keine großen Kosten verursachen, weil diese – wenn kein Geld mehr vorhanden ist –, auch bei einem Sieg vor Gericht nicht erstattet werden. Denn wo kein Geld ist, kann auch bei berechtigten Ansprüchen nichts geholt werden.
Die Forderungen müssen dann beim Insolvenzverwalter gemeldet werden und werden aus der Masse befriedigt. Die Insolvenzmasse beinhaltet das gesamte Vermögen, das der Insolvenzschuldner zum Zeitpunkt der Insolvenz hat und während des Verfahrens erlangt. Entgeltforderungen, welche nach dem Beginn des Insolvenzverfahrens entstehen, werden bei Weiterbeschäftigung vom Insolvenzverwalter normal bei Fälligkeit bezahlt. - Urlaubsanspruch
Beim Urlaubsanspruch ist zu unterscheiden, ob der Urlaub bereits vor Insolvenzeröffnung beantragt und bewilligt wurde oder erst nach Insolvenzeröffnung geltend gemacht werden soll. Der vorher genehmigte Urlaub ist eine Insolvenzforderung und wird dementsprechend nur nach Quote bezahlt. Der nachher beantragte Urlaub ist vollständig bei ganzem Gehalt zu erfüllen. Wird der Arbeitnehmer freigestellt, kann das zum Abbau der Urlaubstage führen. - Überstunden
Auch für die Überstunden gilt, dass alle Überstunden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens angesammelt wurden und nicht bereits ausgezahlt oder in Form eines Freizeitausgleichs abgegolten wurden, eine Insolvenzforderung darstellen. Sie werden also auch nur nach Quote ausgezahlt. Eine Ausnahme bilden dabei aber die Überstunden, die im Zeitraum des Bezugs des Insolvenzgeldes erarbeitet wurden. Für diese hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auszahlung gegenüber dem Arbeitsamt. - Betriebsrenten
Wenn der Arbeitgeber Mitglied beim PSV (Pensionssicherungsverein) ist, kommt dieser bei Insolvenz für die Betriebsrenten auf.
Aufgepasst werden muss aber, wenn das Unternehmen verkauft oder umbenannt wird.
Im Falle der Löschung des Unternehmens aus dem Handelsregister müssen auch die Forderungen auf Betriebsrente geltend gemacht werden. Ansonsten droht das Verfallen der Ansprüche trotz „Unverfallbarkeit“.
Bedeutung einer Insolvenz für den Betriebsrat
Eine Insolvenz ändert nichts unmittelbar an dem Mandat und den Aufgaben eines Betriebsrates. Allerdings wechselt mit dem Einsetzen eines Insolvenzverwalters der Ansprechpartner des Betriebsrats. Mögliche Betriebsänderungen oder Sozialpläne hat der Betriebsrat ab diesem Zeitpunkt mit dem Insolvenzverwalter zu verhandeln.
To-do-Liste im Falle der (drohenden) Insolvenz des Arbeitgebers
- Insolvenzgeld innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis beantragen
- Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung prüfen (lassen), ob die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind
- Überstunden im Zeitraum des Insolvenzgeldes abbauen
- Forderungen beim Insolvenzverwalter geltend machen
- Im Falle einer unentgeltlichen Freistellung oder der Kündigung sofort beim Arbeitsamt arbeitslos melden, es besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld
- Urlaub nehmen, bevor Sie gekündigt werden, aber nicht vor dem Insolvenzereignis
- Im Falle einer Kündigung dem Arbeitgeber bzw. dem Insolvenzverwalter innerhalb von zwei Wochen mitteilen, wenn ein Sonderkündigungsschutz besteht, beispielsweise bei einer Schwangerschaft oder einer Schwerbehinderung
- Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses beantragen
- Bei Fragen oder Unsicherheiten einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Rate ziehen
Gehaltsrückstände ohne (drohende) Insolvenz
Auch ohne Insolvenz kann es aus verschiedensten Gründen dazu kommen, dass der Arbeitgeber mit der Zahlung der Löhne im Rückstand ist. Der Arbeitgeber ist mit dem Gehalt ab dem Zeitpunkt in Verzug, zu dem er den vertraglich geregelten Auszahlungstag ohne Zahlung verstreichen lässt.
Darauf kann der Arbeitnehmer unterschiedlich reagieren.
Es besteht die Möglichkeit,
- fristlos zu kündigen (dabei ist keine Sperrfrist des Arbeitsamtes zu befürchten), wenn zwei Monatsgehälter bereits fällig, aber nicht bezahlt wurden;
- weitere Arbeitsleistungen zu verweigern (auch für die Zeit, in der vom Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht wird, hat der Arbeitgeber zu zahlen, außerdem kann ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum bestehen) oder
- auf den Lohn vor dem Arbeitsgericht zu klagen ((tarif-)vertragliche Ausschlussfristen beachten!) oder
- dem Arbeitgeber Zugeständnisse in Form von Gehaltsstundung oder zeitweisen freiwilligen Gehaltsreduzierungen zu machen (Dabei ist Vorsicht geboten, da im Falle der Insolvenz die Forderungen schlagartig weniger wert sein können und das Arbeitslosen- und Insolvenzgeld sich an den gezahlten Gehältern orientieren und dann auch niedriger ausfallen wird. Lassen Sie sich darauf nicht ohne Bedenkzeit ein.).
Um die für die individuelle Situation am besten geeignete Lösung zu finden, ist es erforderlich, möglichst bald rechtlichen Rat einzuholen.
Bei AfA sind Sie durch die auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwälte damit in den besten Händen. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.
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