Quarantäne im Urlaub?!?

Quarantäne im Urlaub?!?
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Der Urlaub steht bevor und man hat voller Vorfreude seine Koffer gepackt. Was aber, wenn man den Urlaub nicht antreten kann, weil ein Coronatest positiv war und man deshalb in Quarantäne musste, obwohl man keinerlei Anzeichen einer Erkrankung hatte? 

Arbeitsunfähig krank im Urlaub

Vielen ist sicherlich bekannt, dass man den Urlaubsanspruch nicht verliert, wenn man im Urlaub arbeitsunfähig krank ist. Dies regelt § 9 Bundesurlaubsgesetz („BUrlG“). 

Urlaub ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Freistellung von der Arbeit, das heißt der Arbeitnehmer wird bezahlt, ist aber nicht verpflichtet zu arbeiten. Wenn der Arbeitnehmer aber bereits wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr arbeiten muss, kann der Arbeitgeber ihn nicht noch einmal von dieser Verpflichtung ‚befreien‘, indem er ihm Urlaub gewährt. Damit kann er Arbeitgeber den Urlaubsanspruch gem. § 9 BUrlG nicht erfüllen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und muss dem Arbeitnehmer den Urlaub wieder gutschreiben, so dass er ihn nehmen kann, wenn er wieder gesund ist. 

Was passiert bei einer Quarantäne im Urlaub?

Wenn der Arbeitnehmer aber nicht arbeitsunfähig erkrankt ist, sondern „nur“ in Quarantäne stellt sich die Frage, ob § 9 BUrlG nicht auch dann anwendbar ist, wenn sich der Arbeitnehmer aufgrund einer Anordnung des Gesundheitsamts ‚absondern‘ bzw. in Quarantäne begeben muss. 

Diese Frage wurde jetzt mehrfach entschieden. Zuletzt hat das LAG Schleswig-Holstein die Klage eines Arbeitnehmers auf Gutschrift des Urlaubs abgewiesen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.02.2022, Az. 1 Sa 208/21).

Der Fall

Der Kläger verlangte, dass der Arbeitgeber ihm sechs Urlaubstage wieder gutschreibt. Er habe in dieser Zeit keinen Urlaub gehabt, weil er auf Anordnung des Gesundheitsamts seine Wohnung nicht verlassen und auch keinen Besuchen empfangen durfte. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, sich angemessen zu erholen. Arbeitsunfähig erkrankt war der Kläger jedoch nicht. 

Die Entscheidung

Nachdem der Kläger in erster Instanz verloren hatte, hatte nun auch das LAG Schleswig-Holstein die Berufung des Arbeitnehmers zurückgewiesen.

Nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein hat der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Klägers erfüllt, weshalb er erloschen sei. Daran ändere auch die Anordnung der Absonderung nichts. 

Der Kläger sei unstreitig nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen, weshalb die unmittelbare Anwendung von § 9 BUrlG nicht in Frage käme. 

Auch käme eine sinngemäße (analoge) Anwendung von § 9 BUrlG nicht in Betracht. Dies wäre nur möglich, wenn eine planwidrigen Regelungslücke vorläge und die Interessenlage vergleichbar sei. Beides wäre nicht der Fall. Zwar würden weder das Infektionsschutzgesetz („IfSG“) noch das BUrlG die Rechtsfolgen einer Absonderungsanordnung während des Urlaubszeitraums regeln, aber diese Lücke sei nicht planwidrig. Das BAG würde in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass § 9 BUrlG eine Ausnahme sei, weshalb eine analoge Anwendung auf andere urlaubsstörende Ereignisse nicht in Frage käme. Dieses Problem war dem Gesetzgeber also bekannt und er hätte es mit einer Ausnahmevorschrift anders regeln können. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber zum Beispiel in § 24 Abs. 2 Mutterschutzgesetz Gebrauch gemacht. 

Außerdem, so das LAG Schleswig-Holstein, sei die Absonderung nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbar und auch deshalb sei der Urlaub nicht wieder gutzuschreiben. 

Die aktuelle Rechtslage

Das LAG Schleswig-Holstein steht mit seiner Meinung nicht allein. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf (Urt. v. 15.10.2021, Az. 7 Sa 857/21) schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaubserfolg, sondern er hat mit der Festlegung des Urlaubszeitraums und der Zusage des Urlaubsentgelts seine Pflichten gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG erfüllt. Alle anderen Umstände, die den Urlaub des Arbeitnehmers stören können, fielen grundsätzlich in dessen Risikobereich. Die Ausnahme sei eben nur die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Auch seien die Begriffe „Krankheit“ im Sinne von § 2 Nr. 4 IfSG und „Arbeitsunfähigkeit“ im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht deckungsgleich. Gerade im Fall von Corona wird es deutlich, dass eine Infektion mit einer übertragbaren Krankheit, nicht unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit führt.

Mit einer vergleichbaren Argumentation hat auch das LAG Köln in seiner Entscheidung vom 13.12.2021 (Az. 2 Sa 488/21) eine Nachgewährung von Urlaubstagen ablehnt. Das LAG Köln führt dazu weiter aus, dass auch nicht darauf ankäme, ob der Arbeitnehmer den Urlaub so nutzen konnte, wie er es sich vorgestellt hat. Der Urlaub sei auch dann nicht wieder gutzuschreiben, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit inhaftiert werden würde, was die deutlichste Einschränkung des Urlaubs darstellen würde.

Ganz anders sieht es jedoch das LAG Hamm (Urt. v. 27.01.2022 – 5 Sa 1030/21). Eine angeordnete Quarantäne sei nach Auffassung des LAG Hamm mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers zu vergleichen. Sie liefe einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes füllig zuwider, und zwar unabhängig davon, wie der betroffene Arbeitnehmer die Situation persönlich empfindet. In der Begründung beruft sich das LAG Hamm u.a. auf ein Urteil des BGH zum damaligen Bundesseuchengesetz aus dem Jahr 1978 (BGH, Urt. v. 30.11.1978, Az. III ZR 43/77), in dem eine Vergleichbarkeit zwischen sog. Ausscheidern, Ausscheidungsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen festgestellt wurde. Das LAG Hamm überträgt diesen Rechtsgedanken in seiner Entscheidung auf § 56 IfSG und kommt zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer der Urlaub nach § 9 BUrlG wieder gutzuschreiben sei.

Diese Meinung ist jedoch nicht unumstritten. So nimmt LAG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 15.02.2022 auch auf das BGH-Urteil zum Bundesseuchengesetz aus dem Jahr 1978 Bezug. Es führt dazu aber aus, dass es auch trotz dieser Argumentation zu keinem anderen Ergebnis käme und verweist dabei auf mehrere Urteile des BAG, die nach der Entscheidung aus dem Jahr 1978 ergangen sind.

Ob eine behördlich angeordnete Absonderung oder Quarantäne dazu führt, dass dem Arbeitnehmer der Urlaub wieder gutgeschrieben werden muss, ist eine in der Praxis derzeit sehr relevante Frage. Leider wird gibt es hierauf keine einheitliche Antwort der Instanzgerichte, auch wenn eine gewisse Tendenz zu erkennen ist.

Einige der Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig, so dass zu dieser Frage eine Entscheidung des BAG noch aussteht. Es ist daher zu erwarten, dass diese Rechtsfrage demnächst abschließend geklärt wird.

Christian Heinzelmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht *

Rechtsanwalt Christian Heinzelmann spezialisierte sich bereits während seines Studiums an der FAU Erlangen auf das Arbeitsrecht. Nach dem Referendariat in Nürnberg war Rechtsanwalt Heinzelmann über 15 Jahre in mittelständischen Kanzleien im Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht tätig, zuletzt in einer größeren wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzlei in Erlangen.

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