EGMR-Entscheidung zur E-Mail-Überwachung – Ein Freibrief für Arbeitgeber?

EGMR-Entscheidung zur E-Mail-Überwachung – Ein Freibrief für Arbeitgeber?
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Der Menschenrechtsgerichtshof gab einem rumänischen Arbeitgeber recht, der die Chats seines Mitarbeiters überwacht und einen Arbeitnehmer wegen privater Chats in der Arbeitszeit gefeuert hatte (Barbulescu v. Romania, Application no. 61496/08).

Sachverhalt

Ereignet hat sich der Fall im Sommer 2007. Der Mitarbeiter einer rumänischen Firma hat den Yahoo-Messenger auf Wunsch seines Arbeitgebers für Kundenanfragen eingerichtet, dann aber eifrig privat genutzt. Im Unternehmen war jede Nutzung von Firmencomputern, Telefonen, Kopierern und anderen Geräten für persönliche Zwecke verboten. Bei einer routinemäßigen Prüfung der Chatprotokolle entdeckte der Arbeitgeber neben Chatunterhaltungen mit dem Bruder auch sehr private und intime Unterhaltungen zwischen dem Arbeitnehmer und seiner Verlobten. Der Mitarbeiter bestritt den Vorwurf – und erhielt daraufhin von seinem Chef eine 45 Seiten starke Mitschrift seiner Kommunikation. Der Arbeitgeber sah sich vor diesem Hintergrund zur Kündigung veranlasst, die von den rumänischen Gerichten bestätigt wurde. Dagegen hatte der Mitarbeiter sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Wehr gesetzt, weil er Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt sah, wonach jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz hat.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des Gerichtshofs liegen in dem jetzt entschiedenen Fall jedoch einige sehr spezifische Voraussetzungen vor, die das Vorgehen des Unternehmens decken. So war es den Mitarbeitern ausdrücklich verboten, technische Geräte (auch Computer) für persönliche Zwecke zu nutzen. Aufgrund dieses ausdrücklichen Verbotes, ging das Unternehmen bei seiner Kontrolle davon aus, ausschließlich Daten zur eigentlichen Arbeit des Ingenieurs zu finden. Nach Einschätzung des Gerichts war der Kläger zudem ausreichend über diese Regeln informiert worden. Zwar befanden die Richter, dass auch in diesem Fall Artikel 8 EMRK Anwendung finde. Jedoch sei es nach ihrer Auffassung nicht unangemessen, wenn der Arbeitgeber die Erledigung der zugewiesenen Aufgaben während der Arbeitszeit prüfen wolle.

Fazit:

Was ändert sich durch diese Entscheidung in der Praxis? Dürfen Arbeitgeber nun auch in Deutschland ohne Weiteres die digitale Korrespondenz ihrer Mitarbeiter einsehen?
Hierzu und zu weiteren Fragen, die jetzt Arbeitswelt und Datenschutzrechtler bewegen, hat unsere Expertin, Rechtsanwältin Dr. Silke Greve, in der Süddeutschen Zeitung Stellung genommen:

„Die Mail-Accounts ihrer Mitarbeiter nach Belieben zu hacken, ist Arbeitgebern auch in Zukunft verboten“, sagt Silke Greve. Sie ist Datenschutzexpertin bei AfA-Rechtsanwälte, einer Kanzlei, die Interessen von Arbeitnehmern vertritt. Im Normalfall kann ein Unternehmen nur Einblick in E-Mails oder Chat-Protokolle verlangen, wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb verboten ist.


[…..]

Und wenn der Chef die private Nutzung erlaubt hat?

[…] In diesem Fall kann er die digitale Kommunikation kaum kontrollieren. Anders als im Ursprungsfall darf er nun ja gerade nicht davon ausgehen, auf den Servern nur dienstliche Korrespondenz zu finden. Um die Persönlichkeitsrechte seiner Mitarbeiter nicht zu verletzten, muss er sich daher zurückhalten. Dennoch sollten Beschäftigte im Dienst besser keine ausgedehnten Online-Shopping-Touren absolvieren oder sich die Bürozeit mit privaten Chats vertreiben. Das gilt selbst dann, wenn sie dazu das eigene Smartphone verwenden. „Juristisch betrachtet begehen Arbeitnehmer mit diesem Verhalten einen Arbeitszeitbetrug, der eine Abmahnung oder in schweren Fällen eine Kündigung rechtfertigen kann“, sagt Juristin Greve. […..]“

Textauszug aus „Internetnutzung im Büro – Surfen statt arbeiten, von Catrin Gesellensetter, SZ vom 22.01.2016. Den vollständigen Text lesen Sie auf der Seite der Süddeutschen Zeitung.