Versicherungsschutz im Home Office?

Versicherungsschutz im Home Office?
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Nicht erst seit der Corona-Pandemie erfreut sich das Home Office steigender Beliebtheit. Aber wie ist das eigentlich mit dem Versicherungsschutz, wenn Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten?

Bei einem Arbeitsunfall übernimmt grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten der ärztlichen Behandlung, zahlt Verletztengeld, kommt für die erforderlichen Therapien und Reha-Maßnahmen auf und übernimmt im Falle des Falles auch die Rentenzahlungen.

Allerdings kommt die gesetzliche Unfallversicherung nur für einen Arbeitsunfall auf. Hier liegt das Problem. Während im Betrieb der Weg zur Toilette oder in die Küche in der Regel versichert ist, ist die Abgrenzung im Home Office weitaus schwieriger, da sich privater und beruflicher Bereich überlagern und eine klare Trennlinie oftmals nur schwer zu ziehen ist.

Wann liegt ein Arbeitsunfall im Home Office vor?

Für die Anerkennung als Arbeitsunfall ist zunächst erforderlich, dass der Arbeitgeber die Arbeit zu Hause im Rahmen betrieblicher Regelungen überhaupt ermöglicht oder aus aktuellen Gründen – wie beispielsweise aufgrund der Corona-Pandemie – ausgeweitet hat. Dem Arbeitnehmer muss es also gestattet sein, die Arbeitsleistung von zu Hause zu erbringen.

Damit ein Unfall im Home Office als Arbeitsunfall anerkannt wird, muss ferner die Tätigkeit, die zu dem Unfallgeschehen geführt hat, in einem engen Zusammenhang mit den beruflichen Aufgaben des Arbeitnehmers stehen. Es muss also ein innerer Zusammenhang zwischen der konkreten Tätigkeit und der versicherten Tätigkeit bestehen. Dieser bestimmt sich danach, ob der Mitarbeiter eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Die Rechtsprechung fordert insoweit eine sogenannte objektivierte Handlungstendenz des Versicherten (vgl. BSG vom 05. Juli 2016 – B 2 U 5/15 R). Schon bei geringen Abweichungen hiervon besteht kein Versicherungsschutz mehr. 

Was ist versichert und was nicht?

Stürzt ein Arbeitnehmer beispielsweise zu Hause die Treppe hinunter und verletzt sich, weil er im Keller die unterbrochene Internetverbindung prüfen will, die er für die dienstliche Kommunikation benötigt, ist dieser Unfall versichert. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Arbeitnehmer lediglich ein Glas Wasser aus der Küche holen möchte und auf dem Weg dorthin stürzt. Das Bundessozialgericht hat in diesem Fall den Versicherungsschutz verneint. Das Zurücklegen eines Weges innerhalb des Wohngebäudes zum Zwecke der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit der Nahrungsaufnahme sei nicht als versicherter Betriebsweg im häuslichen Bereich zu werten. Denn der Weg sei nicht in Ausübung der versicherten Tätigkeit erfolgt, weshalb es am notwendigen inneren Zusammenhang zwischen der tatsächlich ausgeübten und der versicherten Tätigkeit fehle (vgl. BSG vom 05. Juli 2016 – B 2 U 5 /15 R). 

In einem ähnlich gelagerten Fall urteilte das Bundessozialgericht, auch der Sturz einer Sales Managerin auf der Kellertreppe könne nicht als Arbeitsunfall gewertet werden. Zwar befänden sich die arbeitsvertraglich vereinbarten Büroräume der Arbeitnehmerin im Keller und der Gang dorthin sei auf Anweisung und im Interesse des Vorgesetzten erfolgt, doch befand sich die Arbeitnehmerin zuvor in der Küche, die wiederum zu ihrem privaten Lebensbereich gehörte. Dieser Weg und die damit verbundenen Risiken lägen somit in der persönlichen Verantwortung der Arbeitnehmerin. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts habe dabei auch außer Acht zu bleiben, dass sich die Arbeitnehmerin nur ein Glas Wasser an ihren Schreibtisch holen wollte – sämtliche Wege zur Nahrungsaufnahme seien im Home Office nicht als Arbeitsunfall von der Versicherung abgedeckt (vgl. BSG vom 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R).

Dieser Linie treu blieb auch das Sozialgericht München, als es in einem aktuellen Fall entschied, dass selbst der Weg zur Toilette im Home Office nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung gedeckt ist. Ein Arbeitnehmer machte hier nach einem Sturz auf dem Rückweg von seiner im Erdgeschoss gelegenen Toilette zu seinem Büro im Keller einen Arbeitsausfall geltend – Fehlanzeige. Das Gericht wies die Klage ab. Im Gegensatz zu der Tätigkeit im Betrieb, wo der Weg zur Toilette unproblematisch versichert gewesen wäre, habe der Arbeitgeber im Home Office keine Einflussmöglichkeit auf die Sicherheit der Räumlichkeiten, so das Gericht in seiner Begründung.

Vorsicht ist auch bei zurückzulegenden Wegen außerhalb des Home Office geboten. Während der Weg von der Arbeitsstätte zur Kita in der Regel versichert ist, gilt dies gerade nicht für den Weg vom Home Office zur Kita oder zur Schule. Dieser wurde bislang nicht als unfallversicherter Wegeunfall anerkannt. 

Fazit „Versicherungsschutz im Home Office“

Ob der gesetzliche Unfallversicherungsschutz auch im Home Office greift, hängt maßgeblich davon ab, welche konkrete Verrichtung mit welchem Zweck der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens ausübt. Während bei Tätigkeiten in der betrieblichen Arbeitsstätte in aller Regel Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht, kann sich die Situation im Home Office aufgrund der Überlagerung von privaten und dienstlichen Tätigkeiten ganz anders darstellen mit der Folge, dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nicht greift und der Arbeitnehmer das Nachsehen hat. 

Dringend sollte hier eine Vereinheitlichung der Regelung zwischen versicherten Tätigkeiten im Betrieb und im Home Office stattfinden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum für die Tätigkeit im Home Office andere Regeln gelten sollten als bei der Tätigkeit im Betrieb selbst, jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich offiziell im Home Office befindet.

Bettina Kunst

Fachanwältin für Arbeitsrecht *

Rechtsanwältin Bettina Kunst spezialisierte sich bereits während ihres Studiums in Erlangen und Regensburg auf das Arbeitsrecht. Nach ihrem Referendariat in Nürnberg war Rechtsanwältin Kunst zunächst für mehrere Jahre im öffentlichen Dienst mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht tätig, bevor sie nach mehrjähriger Tätigkeit als Justiziarin im internationalen Kunsthandel, als Rechtsanwältin in eine arbeitsrechtlich ausgerichtete Kanzlei wechselte.

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