Zeiterfassung wird verpflichtend
Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.09.2022 entschieden, dass alle Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, eine Zeiterfassung einzuführen. Denn das sei eine erforderliche Maßnahme des Arbeitsschutzes und daher durch § 3 ArbSchG gesetzlich vorgegeben. Die Entscheidungsgründe des BAG-Beschlusses wurden nun veröffentlicht.
Lage, Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit müssen durch den Arbeitgeber tatsächlich erfasst werden. Eine bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems reicht nicht aus. Nur so ist die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten innerhalb des Bezugszeitraums überprüfbar und eine Kontrolle durch die zuständigen Behörden gewährleistet. Nicht ausreichend wäre es, dem Arbeitnehmer ein Zeiterfassungssystem lediglich zur freigestellten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss hiervon auch tatsächlich Gebrauch gemacht und damit verwendet werden. Diese Verpflichtung gilt ohne Übergangsfristen ab sofort. Das BAG stützt die Verpflichtung in europarechtskonformer Auslegung auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Diese gesetzliche Regelung existiert bereits.
Das BAG gibt dabei nicht konkret vor, durch wen (Arbeitgeber oder nach Anweisung die Arbeitnehmer) oder in welcher Form (manuell oder elektronisch) die Arbeitszeit erfasst werden muss. Hier dürfte für den Arbeitgeber ein Gestaltungsspielraum bestehen bleiben, wobei bei der Auswahl vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens, insbesondere seine Größe, zu berücksichtigen sind.
Der Betriebsrat hat zwar zur Einführung der Zeiterfassung kein Initiativrecht, da diese bereits eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers darstellt, § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Dem Betriebsrat steht aber für die Ausgestaltung des im Betrieb des Arbeitgebers zu verwendenden Systems zur Erfassung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § § Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ein Initiativrecht zu. Dieses Initiativrecht ist wegen des Charakters von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG als arbeitsschutzrechtliche Rahmenvorschrift und der in diesem Zusammenhang bei ihrer Ausfüllung zu beachtenden unionsrechtlichen Vorgaben nicht auf eine Zeiterfassung in elektronischer Form beschränkt – es kann aber auch eine elektronische Zeiterfassung zwingend notwendig und auch per Spruch der Einigungsstelle durchsetzbar sein. Der Betriebsrat ist daher beim „Wie“ der Arbeitszeiterfassung in der Mitbestimmung, nicht hingegen beim „Ob“.
Es ist deshalb fraglich, ob Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich ist. Arbeiten ohne Zeiterfassung ist jedoch nicht mehr möglich. Selbstbestimmtes Arbeiten mit freier eigener Planung der Zeit ist weiterhin möglich, die Arbeitszeit muss dabei erfasst werden.