Weihnachtsgeld und Mindestlohn – wie passt das zusammen?

Weihnachtsgeld und Mindestlohn –  wie passt das zusammen?
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Alle Jahre wieder… mit der Novemberabrechnung wird von vielen Arbeitgebern zusätzlich zum Grundgehalt bzw. Grundlohn das sog. Weihnachtsgeld ausbezahlt. Die Hintergründe sind von Firma zu Firma unterschiedlich. Ziel und Zweck der Zahlung kann z.B. sein, die Mitarbeiter für das kommende Jahr zu motivieren, sie für die bisherige Betriebstreue oder für die über das Jahr erbrachten Leistungen zu belohnen.

Ist das Geld einmal auf dem Konto, ist die Sache für die meisten Arbeitnehmer erledigt. Ob die Abrechnung ordnungsgemäß erstellt wurde, wird dann nicht mehr hinterfragt.
Mit der Einführung des Mindestlohngesetztes (MiLoG) zu Beginn des Jahres, stellt sich nun für Arbeitnehmer, die 8,50 € pro Zeitstunde als Lohn erhalten oder knapp über dieser Grenze liegen, die Frage, ob das Weihnachtsgeld als zusätzliches „Geschenk“ zu sehen ist oder, ob es auf den Mindestlohn angerechnet werden kann.

Für die Anrechnung von Vergütungsbestandteilen auf den Mindestlohn gilt grundsätzlich Folgendes: Anrechenbar ist alles, womit die gewöhnliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergütet werden soll. Es sind also die Hintergründe, die den Arbeitgeber zur Zahlung des Weihnachtsgeldes veranlasst haben, zu betrachten. Hier lohnt sich ein Blick in den Arbeitsvertrag, einen anwendbaren Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung.

Wird das Weihnachtsgeld ausdrücklich als Gratifikation bezeichnet, ist die Sache klar. Der Arbeitgeber bringt damit zum Ausdruck, dass er die Zahlung zusätzlich zum Arbeitsentgelt leistet. Es soll gerade nicht die Gegenleistung vergütet werden. Eine Anrechnung auf den Mindestlohn ist dann unrechtmäßig.

Soll mit der Zahlung dagegen die Arbeitsleistung vergütet werden, ist die Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn grundsätzlich möglich. Dies ist in der Regel der Fall, wenn ein sog. 13. Monatsgehalt ausbezahlt wird, welches sich schon von der Begrifflichkeit vom klassischen Weihnachtsgeld unterscheidet. Es ist dann weiter zu betrachten, zu welchem Zeitpunkt die Zahlung erfolgt ist. Eine Anrechnung kann nämlich nur dann stattfinden, wenn die Zahlung dem Arbeitnehmer im Fälligkeitszeitpunkt unwiderruflich zufließt, so die zu den Branchenmindestlöhnen entwickelte Faustformel des EuGH (Urteil vom 14.04.2005 – C-341/02).

Beispiel: wird dem Mitarbeiter mit dem Novemberlohn eine zusätzliche Zahlung gewährt und hat der Arbeitgeber sich keine Rückforderungsmöglichkeit offen gehalten, ist eine Anrechnung auf den Novemberlohn denkbar. Eine anteilige Anrechnung auf die übrigen Monate ist ausgeschlossen, da die Fälligkeiten der Mindestlohnzahlungen von Januar bis Oktober bereits vorüber sind.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für die Mindestlohnwirksamkeit einer Zahlung stets auf den Zweck abzustellen ist, der der jeweiligen Zulage zugrunde liegt. Wird das klassische Weihnachtsgeld im Sinne einer Gratifikation gezahlt, ist eine Anrechnung auf den Mindestlohn jedenfalls ausgeschlossen.

Eva Ratzesberger

Fachanwältin für Arbeitsrecht *

Rechtsanwältin Eva Ratzesberger ist bei AfA in allen Angelegenheiten des Individual- und Kollektiv-Arbeitsrechts tätig. Neben der bundesweiten Vertretung von Betriebsräten in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, in Einigungsstellen sowie bei Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen berät sie diese bei der Erstellung von Betriebsvereinbarungen.

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