Transfergesellschaft in der Insolvenz- Sozialverträglicher Personalabbau ohne Nebenwirkung?
Nach Loewe musste Ende 2014 auch Metz einen Insolvenzantrag stellen. In der letzten Pressemitteilung des Unternehmens heißt es u.a.: „Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung von Metz vor dem Insolvenzantrag und der weiterhin bestehenden Überkapazitäten sind aber Personalmaßnahmen erforderlich: Rund 110 der 540 Beschäftigten wird das Angebot unterbreitet, für sechs Monate in eine Transfergesellschaft zu wechseln.“ Unterdessen läuft der Investorenprozess auf Hochtouren.
Insolvenzverwalter bedienen sich bei der Verfolgung Ihres Ziels, Unternehmen, Betriebe oder Teile davon durch eine Veräußerung auf einen Investor zu sanieren, nicht selten der Einschaltung einer Transfergesellschaft.
Was ist eine Transfergesellschaft, was bedeutet der Wechsel für den betroffenen Arbeitnehmer rechtlich und wirtschaftlich? Und wird die Implementierung einer Transfergesellschaft tatsächlich nur von dem Motiv, den Personalabbau sozialverträglich zu gestalten, dominiert?
Transfergesellschaft
Transfergesellschaften haben den Zweck, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer im Rahmen einer maximal einjährig befristeten Beschäftigung schnellstmöglich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Sie führen den ursprünglichen Betriebszweck des abgebenden Betriebes nicht fort; Arbeitsinhalt sind allein die Qualifizierung und Jobsuche. Die Durchführung solcher befristeter, nicht wertschöpfender Arbeitsverhältnisse wird für die gesamte Laufzeit durch Bereitstellung nicht unerheblicher finanzieller Mittel abgesichert. Der Insolvenzverwalter kann diese Kosten der Insolvenzmasse über die Abkürzung der Kündigungsfristen refinanzieren.
Die rechtliche Überleitung der Arbeitnehmer in eine Transfergesellschaft erfolgt im Wege eines „Dreiseitigen Vertrages“. In diesem Dreiseitigen Vertrag, der zwischen dem Insolvenzverwalter, dem Arbeitnehmer und der Transfergesellschaft abgeschlossen wird, ist die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zwischen Insolvenzverwalter und Arbeitnehmer und die befristete Beschäftigung zwischen Arbeitnehmer und Transfergesellschaft vereinbart.
Bedeutung für den Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer, dem ein Angebot zum Wechsel in eine Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter angeboten wird, sollte vor seiner Entscheidung vor allem folgendes beachten:
Nicht selten wird den Arbeitnehmern der Dreiseitige Vertrag mit der Maßgabe vorgelegt, diesen innerhalb einer extrem kurzen Frist zu unterzeichnen. Hier ist es wichtig, ausreichende Zeit für eine sorgfältige Entscheidung, ggf. unter Zuhilfenahme anwaltlicher Beratung, einzufordern.
Vor der Unterzeichnung muss dem Arbeitnehmer klar sein, dass er sein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber freiwillig aufhebt und damit, ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle, unwiederbringlich beendet. Insofern ist, wenn auch nur hypothetisch, zu prüfen, ob eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter wirksam möglich wäre. Hierzu ist es hilfreich, sofern vorhanden, beim Betriebsrat den Interessenausgleich einzusehen, um sich insbesondere über die Grundsätze der durchgeführten Sozialauswahl einen Überblick zu verschaffen.
Zudem ist es erforderlich, dass jeder Arbeitnehmer für sich den wirtschaftlichen (Mehr)Wert eines Eintritts in die Transfergesellschaft definiert. Hierzu gehört die Bewertung der Qualifikationsmöglichkeiten, die angebotene Laufzeit der Maßnahme, die Dauer der individuellen Kündigungsfrist, eine Aufstockung des Transferkurzarbeitergeldes. Diese Attribute sind der Alternative einer betriebsbedingten Kündigung, ggf. auf der Basis eines Interessenausgleichs mit Namensliste, unter Berücksichtigung einer durchgeführten Sozialauswahl gegenüberzustellen.
Wichtig ist auch eine Überprüfung der persönlichen Lebenssituation, d.h. der finanziellen Notwendigkeiten, der Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt etc.
Kommt der Arbeitnehmer z.B. zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung eher fraglich ist, die finanzielle Ausstattung der Transfergesellschaft und damit die Qualifikationsmöglichkeiten beschränkt sind – in der Insolvenz gibt es keinen Grund, die Insolvenzmasse mit vollen Händen auszugeben – ,die angebotene Laufzeit nicht wesentlich länger ist als die individuelle Kündigungsfrist und auch keine Aufzahlung, d.h. Aufstockung des Transferkurzarbeitergeldes erfolgt, dann sollte ein Übertritt und damit die freiwillige Aufgabe des Arbeitsverhältnisses wohl überlegt sein. Möglicherweise geht es den Protagonisten dann nicht um die Gestaltung eines sozialverträglichen Personalabbaus sondern um ganz andere Motive.
Transfergesellschaft als Mittel der Vermeidung arbeitsrechtlicher Risiken
Man kann durchaus behaupten, dass der Einsatz einer Transfergesellschaft in der Insolvenz vordergründig zur Vermeidung oder zumindest zur Minimierung arbeitsrechtlicher Risiken im Zuge einer Veräußerung auf einen Investor eingesetzt wird.
Die Ausgangslage ist folgende:
Eine Transfergesellschaft gibt es nicht umsonst, eine gut ausgestattete ist sogar kostspielig. Das Unternehmen ist pleite und der Insolvenzverwalter nicht befugt, die Masse zu schmälern, wenn sich die Investition nicht „amortisiert.“ Die Investition rechnet sich aber, wenn eine Veräußerung des insolventen Unternehmens Geld zur Verteilung an die Gläubiger einbringt und der Verkaufserlös höher liegt als eine Zerschlagung.
Investoren scheuen das arbeitsrechtliche Risiko in Gestalt eines Betriebsübergangs, den eine Veräußerung des Betriebs regelmäßig mit sich bringt und wonach der Erwerber in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse einzutreten hat. Auch die Gefahr, dass die zur Umsetzung eines Sanierungskonzeptes erklärten betriebsbedingten Kündigungen einer arbeitsgerichtlichen Kontrolle nicht standhalten, wirkt abschreckend. Nicht selten werden die Kosten einer Transfergesellschaft daher durch einen Investor im Rahmen eines Massedarlehens vorfinanziert und mit dem Kaufpreis verrechnet, sobald der Erwerb vollzogen ist.
Die Transfergesellschaft ist das Instrument zur Eindämmung der vorgenannten Szenarien. Die Aufhebung der Arbeitsverhältnisse mit dem Ziel, die Arbeitnehmer, die für einen Neustart nicht vorgesehen sind, vor einem Betriebsübergang in eine Transfergesellschaft zu überführen führt zu der „Nebenwirkung“, dass sich einem potentiellen Erwerber größere Gestaltungsspielräume im Hinblick auf dessen Personalplanung eröffnen können.
Denn grundsätzlich gehen bereits beendete Arbeitsverhältnisse nicht mehr im Wege des § 613 a BGB auf den Erwerber über. Bedingt durch die freiwillige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht mehr möglich, mithin das Klagerisiko eliminiert. Auch kündigungsrechtliche Schranken, wie der Schwerbehindertenschutz nach dem SGB IX fallen weg und eine erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes ist damit nicht mehr erforderlich. Beiden, Insolvenzverwalter und Investor, wird damit ein erhebliches Risiko bei der Umsetzung des Deals genommen. Da kann es nicht wundern, dass sich beide den Einsatz einer Transfergesellschaft etwas kosten lassen.
Fazit
Transfergesellschaften können ein sinnvolles Instrument zum Zwecke eines sozialverträglichen Personalabbaus mit dem Ziel der übertragenden Sanierung darstellen, wenn Sie nicht zwingende, kündigungsrechtliche Bestimmungen unterlaufen. Verfolgt deren Einsatz aber primär das Ziel, nach Vorgaben des Erwerbers die „Braut zu schmücken“, wird der Begriff der Sozialverträglichkeit zur Erreichung dieses Ziels missbraucht.
Dies herausfinden und eine belastbare Einschätzung vornehmen, können regelmäßig nur auf dem Gebiet des Insolvenz- und Transaktionsarbeitsrecht erfahrene Spezialisten.