Rechts- und Wirtschaftsenglisch
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Der Autor dieses Beitrages, Dr. Kevin Pike, ist gebürtiger Engländer und seit über 20 Jahren Dozent für juristische Fachsprache an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist außerdem staatlich geprüfter und öffentlich bestellter und beeidigter Übersetzer für die englische Sprache, hauptsächlich auf dem Fachgebiet Recht. Er unterrichtet auch Rechts- und Wirtschaftsenglisch in der Kanzlei AfA in Nürnberg.
Wenn Sie sich mit Freunden oder Familienmitgliedern in Ihrer Muttersprache unterhalten, sprechen Sie „ganz normal“, das heißt, Sie benutzen die gewöhnliche, relativ informelle Alltagssprache, eventuell auch mit einem regionalen Dialekt. Doch wenn Sie sich in Ihrem beruflichen Umfeld aufhalten und ein Gespräch mit einem Geschäftskunden führen müssen oder, wenn Sie einen wichtigen Termin bei einem Anwalt haben, reden Sie höchstwahrscheinlich – bewusst oder unbewusst – etwas anders. Der Dialekt verschwindet und Sie verwenden etwas formellere Wörter und vielleicht sogar Fachvokabular. Kurz gesagt, Sie versuchen, sich im Allgemeinen gewählter, gehobener und genauer auszudrücken.
Stellen Sie sich nun vor, dass Sie all das auf Englisch formulieren müssten und nicht in Ihrer Muttersprache. Ich höre fast wie einige von Ihnen jetzt stolz behaupten „Naja, kein Problem! Ich kann schon Englisch. Ich hatte es ja mehrere Jahre in der Schule“. Diesen oder ähnliche Sprüche hört man immer wieder als lautstarken Nachweis der angeblich angemessenen und ausreichenden Englischkenntnisse. Vielleicht reichen diese Schulkenntnisse tatsächlich für den Kurzurlaub in London völlig aus, wenn man wissen will, wie man am besten zum Bahnhof King’s Cross kommt oder, wenn man einen Einheimischen fragt, wo man sich günstige Musicalkarten besorgen kann. Aber wie sieht es bei der Arbeit aus, vor allem, wenn sich die Arbeit in einem international tätigen Unternehmen oder sogar in einer Anwaltskanzlei abspielt, in der die Mandanten oft der deutschen Sprache nicht mächtig sind und die Anwält*innen kein Türkisch, Urdu, Französisch, Chinesisch oder Arabisch sprechen können?
In solchen Situationen einigen sich die Gesprächspartner meist auf einen gemeinsamen Nenner als Verständigungssprache: Englisch. Ob man das will oder nicht, Englisch ist die Weltsprache, die Lingua franca. In der Geschäftswelt oder der Welt der Jurist*innen geht es aber in der Regel nicht nur um Smalltalk – eventuell kurz bei der ersten Begrüßung oder dem gemeinsamen Abendessen – sondern um teilweise komplexere Materie, die man sehr präzise erklären muss. Und genau an dieser Stelle lässt einen oft das Schulenglisch kurzerhand völlig im Stich. In solchen Situationen benötigt man Wirtschaftsenglisch oder, in einer Kanzlei, Rechtsenglisch.
Wirtschaftsenglisch – sogenanntes Business English – umfasst nicht nur Vokabeln, sondern auch Landeskunde und Anwendungssituationen, wie Besprechungen, Telefonate, E-Mails oder Präsentationen. Die Vokabeln kommen weniger aus dem Bereich der Fachbegriffe, sie stellen eher eine Erweiterung des allgemeinen Wortschatzes in Bezug auf den Arbeitsplatz und Arbeitsvorgänge und eine etwas gehobenere und höflicher klingende Ausdrucksweise dar. Zum Beispiel, wer den Chef der Firma als ‚chef of the firm‘ bezeichnet, hat ihn gerade eben zum Koch des Unternehmens und sich selbst etwas lächerlich gemacht. Und wer verwirrt schaut und nach dem plausiblen Zusammenhang sucht, wenn ein englischsprachiger Geschäftspartner von ‚branches‘ spricht, und dabei natürlich Filialen meint und keine Äste, braucht dringend Business-Englisch-Nachhilfe.
Noch schwieriger wird es bei Rechtsenglisch. Die mit Termini technici vollgepfropften juristischen Texte sorgen in der eigenen Muttersprache regelmäßig für verwirrte stirnrunzelnde Blicke, Schulterzucken und Kopfweh. Wie soll das dann in einer Fremdsprache funktionieren? Hier lauern auch überall Stolperfallen, die den nichtsahnenden Nichtmuttersprachler zum Stürzen bringen. Wie erklärt man der Mandantin, dass der Arbeitsvertrag verletzt wurde? Sagt man tatsächlich ‚the working contract was injured/hurt‘? NEIN! Da werden Sie bestens mit einem peinlich berührten Lächeln konfrontiert, wenn nicht mit lautem Gelächter. Es klingt auf Englisch, als müsste der Vertrag schleunigst in die Notaufnahme! Und wie macht man während einer Rechtsberatung deutlich, dass ein neues Gesetz auf diesem Gebiet verabschiedet wurde – ‚The law was said goodbye‘? NEIN! Auf gar keinen Fall! Der Satz klingt schlimmer als die berüchtigten Fingernägel an der Tafel!
Noch problematischer bei Rechtsbegriffen ist die Tatsache, dass es die Rechtsauffassungen aus dem deutschen Recht in anderen Ländern oft so nicht gibt, was Übersetzungen sehr schwierig und manchmal lange Erläuterungen nötig macht. Deswegen ist es für eine kompetente Übersetzung von juristischen Fachtexten notwendig, einen Hintergrund sowohl in Rechtswissenschaften, Sprachwissenschaften als auch in Übersetzungswissenschaften zu haben, um genau solche sprachlichen Entgleisungen zu vermeiden.
In der heutigen Welt ist verhandlungssicheres Englisch in Wort und Schrift nicht nur von Vorteil, sondern mittlerweile gang und gäbe. Wer sich heutzutage verweigert, sein Englisch auf Vordermann zu bringen, bleibt irgendwann auf der Strecke und geht tatsächlich das Risiko ein, sich in wichtigen Situationen zu blamieren. Und übrigens ‚blamieren‘ heißt nicht ‚blame‘ auf Englisch, sondern ‚to embarrass‘. Das englische Verb ‚blame‘ bedeutet beschuldigen. Sie merken spätestens jetzt, dass ohne gute Englischkenntnisse Verwirrung vorprogrammiert ist.
Sollten Sie kompetente Übersetzungen benötigen, kontaktieren Sie Dr. Pike per E-Mail.