Mitbestimmung bei psychischen Belastungen am Arbeitsplatz
Änderung des Arbeitsschutzgesetzes?
Der im Jahre 2012 veröffentlichte „Stressreport Deutschland“ und das aktuell in den Medien diskutierte Thema „Burnout-Syndrom“ veranlassten die Bundesregierung dazu, Änderungen im Arbeitsschutzgesetz vorzuschlagen. Künftig sollen insbesondere – mehr als bislang schon – psychische Belastungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden, da Veränderungen in der Arbeitswelt wie z.B. erhöhte Anforderungen an Flexibilität, erhöhter Zeitdruck und ständige Erreichbarkeit nur einige von vielen Faktoren sind, die eine psychische Erkrankung hervorrufen können. Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen – der Betriebsrat hat weitreichende Mitbestimmungsrechte!
Vorgesehene Änderungen
Unstreitig ist, dass gem. § 4 Nr. 1 ArbSchG auch bislang schon psychische Gefährdungen für Leben und Gesundheit vermieden werden müssen.
Folgende Änderungen sind nunmehr vorgesehen (siehe BT Drucksache 17/12297):
- § 4 Nr. 1 ArbSchG: Die Gesundheitsgefährdung wird als „physische und psychische“ definiert.
- § 5 Abs. 3 ArbSchG: Die Aufzählung der Gefährdungsfaktoren, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind, wird um „psychische Belastungen bei der Arbeit“ erweitert.
Gefährdungsbeurteilung aktueller Stand
Fraglich ist, welche arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen an eine Gefährdungsbeurteilung und eine anschließende Gefährdungsunterweisung aktuell gestellt werden. Liegt für die Beschäftigten eine mit ihrer Arbeit verbundene Gefährdung vor, so bestimmt das Arbeitsschutzgesetz, dass eine Beurteilung zur Gefahrenverhütung vorzunehmen ist (§ 5 Abs. 1, 2 ArbSchG).
Der Arbeitgeber hat dabei zunächst zu ermitteln, ob für die Beschäftigten eine mit ihrer Arbeit verbundene Gefährdung vorliegt. Die Ergebnisse dieser Beurteilung bestimmen, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Das Ergebnis ist zu dokumentieren (§ 6 Abs. 1 ArbSchG).
Bei der Gefährdungsbeurteilung überprüft der Arbeitgeber, ob für den Beschäftigten eine Gefährdung vorliegt und diese gegebenenfalls mit seiner Arbeit verbunden ist. Folgende Ursachen können dabei u.a. zu einer Gefährdung führen (vgl. § 5 Abs. 3 ArbSchG):
- Die Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes.
- Physikalische, chemische und biologische Einwirkungen.
- Die Gestaltung, die Auswahl und der Einsatz von Arbeitsmitteln.
- Die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren.
- Arbeitsabläufe und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken.
- Die unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.
Arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen
Unter Berücksichtigung der Gefährdungsbeurteilungsergebnisse hat der Arbeitgeber zu entscheiden, welche erforderlichen arbeitsschutzrechtlichen Maßnahmen durchzuführen sind. Der Arbeitgeber hat dabei die Verpflichtung, die getroffenen Arbeitsschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und sie ggf. den veränderten Gegebenheiten anzupassen (§ 3 Abs. 1, S. 1, S.2 ArbSchG). Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit ausreichend und angemessen zu informieren (Gefährdungsunterweisung nach § 12 ArbSchG).
Mitbestimmung durch Betriebsrat
Der Betriebsrat hat bei der Regelung des Gesundheitsschutzes und der Unfallverhütung ein weitreichendes Mitspracherecht. Hierzu gehört auch die Mitgestaltung der Art und Weise der Gefährdungsbeurteilung (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Besteht objektiv eine gesetzliche Handlungspflicht und werden wegen fehlenden Vorgaben betriebliche Regelungen verlangt, um das Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen, so greift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ein.
Die Betriebsparteien müssen für die Gefährdungsbeurteilung bestimmen, welche Tätigkeiten beurteilt werden sollen und worin eine mögliche Gefährdung bei der Arbeit bestehen kann. Des Weiteren muss ermittelt werden, woraus sich die Gefährdung ergibt und inwieweit die Arbeitsbedingungen mehrerer Beschäftigter gleichartig sind. Bei der Gefährdungsunterweisung hat der Betriebsrat die vorzunehmende Unterweisung und dessen Inhalt für den jeweiligen Arbeitsplatz zu bestimmen.
Der Betriebsrat ist selbst dann zu beteiligen, wenn keine konkrete Gesundheitsgefährdung feststellbar ist und die vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen lediglich mittelbar dem Gesundheitsschutz dienen. Die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes über Gefährdungsbeurteilungen (§ 5) und über die Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12) sind dabei lediglich Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, bei deren Ausfüllung durch betriebliche Regelungen der Betriebsrat mitzubestimmen hat (BAG vom 08.06.2004, 1 ABR 13/03).
DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) Vorschrift 2
Weiterer wichtiger Ansatzpunkt aus Betriebsratssicht: Seit dem 01.01.2011 gibt es für Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand eine einheitliche und gleich lautende Vorgabe zur Konkretisierung des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG). Diese bietet gute Ansatzmöglichkeiten für die Gefährdungsbeurteilung und zu Themen der psychischen Belastung, die in Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat, Sicherheitsfachkraft und Betriebsarzt zu erörtern sind.
Fazit
Arbeitgeber werden in Zukunft dem Thema „psychische Belastung am Arbeitsplatz“ noch mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Durch Gefährdungsbeurteilungen kann ermöglicht werden, dass Arbeitnehmer vor psychischen Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen, besser geschützt werden. Der Betriebsrat muss dazu aber selbst tätig werden und seine Mitbestimmungsrechte geltend machen.
Mitautorin: Sultan Özaslan, Bachelor of Laws (LL.B.), ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kanzlei AfA Rechtsanwälte.