Leidensgerechter Arbeitsplatz im Home Office?

Leidensgerechter Arbeitsplatz im Home Office?
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LAG Köln vom 12.01.2022, 3 Sa 540/21

Die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes für gesundheitlich beeinträchtigte und v.a. schwerbehinderte Mitarbeiter ist immer wieder Streitpunkt zwischen Arbeitsvertragsparteien. Grundsätzlich gelten im Arbeitsverhältnis gegenseitige Rücksichtnahmepflichten, welche aus § 241 Abs. 2 BGB folgen. Die spannende Frage ist, wie weit diese Pflichten am Ende reichen. 

Gerade die Pandemie hat die Arbeitswelt in vielen Bereichen in nie dagewesener Rasanz verändert. Nicht nur die Digitalisierung, auch die Schaffung neuer Arbeitsumgebungen nahm an Fahrt auf. So wurde aus der Empfehlung von Home Office Arbeitsplätzen auf Zeit bald eine vorübergehende Homeoffice-Pflicht. Die Reaktionen auf diese neue Arbeitsgestaltung konnte unterschiedlicher kaum ausfallen. Arbeitgeber, welche mit Begeisterung eine weit gesteigerte Effizienz feststellten standen skeptischen Vertretern gegenüber, welche den Verlust des Teamspirits und sicherlich auch einer gewissen Kontrolle beklagten. 

Doch für gesundheitlich beeinträchtigte und/oder schwerbehinderte Mitarbeiter bietet der Homeoffice-Arbeitsplatz gerade in und außerhalb einer Pandemie große Chancen. Wo Mitarbeiter vielleicht nicht mehr in der Lage wären, ihrer Arbeitspflicht im Betrieb überhaupt noch nachzukommen, können sie im Home Office als geschütztem Raum doch noch produktiv sein

So lag es bei einer medizinischen Fachangestellten, über deren Fall das LAG Köln zu entscheiden hatte. Die Mitarbeiterin war aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, in den in ihrem Arbeitsvertrag genannten Praxen tätig zu werden. Sie begehrte daher die Beschäftigung im Home Office und stellte auch dar, welche Tätigkeiten sie von dort aus (weiterhin) ausführen könnte. Ihr Begehren auf Beschäftigung im Home Office wurde allerdings abgelehnt und dies aus unterschiedlichen Gründen. 

Zwischen Arbeitsvertragsparteien gelten Rücksichtnahmepflichten, welche den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen auch dazu verpflichten, einen Mitarbeiter leidensgerecht zu beschäftigen. Der Arbeitgeber ist nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, sein Direktionsrecht dahingehend auszuüben, dem leistungsgeminderten Arbeitnehmer Tätigkeiten zu übertragen, zu welchen dieser noch in der Lage ist. Grenzen dieser Pflicht gibt es freilich: die Bestimmung der Tätigkeit muss dem Arbeitgeber rechtlich möglich und zumutbar sein. Eine Verpflichtung zu vertragsfremder Beschäftigung hat der Arbeitgeber grundsätzlich ebenfalls nicht. 

Das LAG Köln wies die Klage aus verschiedenen Gründen ab. Zum Einen meint das Gericht, die von der Klägerin vorgeschlagenen Tätigkeiten entsprächen nicht den vertraglich festgelegten Tätigkeiten einer medizinischen Fachangestellten. Wesentliche Bereiche wie die Assistenz des Arztes, der Patientenempfang und die Unterstützung bei der Diagnostik könnten nicht mehr abgedeckt werden. Damit wäre eine einseitige Zuweisung dieses veränderten Arbeitsbereiches im Rahmen des Direktionsrechtes rechtlich gar nicht zulässig gewesen. Es hätte sich um eine vertragsfremde Beschäftigung gehandelt. Zum Anderen regelte der Arbeitsvertrag der Klägerin explizit den Arbeitsort in zwei benannten Praxen. Eine örtliche Versetzungsklausel enthielt der Vertrag hingegen nicht. Die Zuweisung des Home Office als Arbeitsort wäre damit ebenfalls nicht möglich. 

Das LAG Köln übersieht jedoch eine weitere Möglichkeit. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass der Arbeitgeber auch im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht verpflichtet sein kann, dem Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Vertragsanpassung nachzukommen. Dies solle insbesondere gelten, wenn ansonsten ein dauerhaftes Unvermögen des Arbeitnehmers drohe (vgl. BAG vom 03.12.2019, 9 AZR 78/19). Diesen Aspekt sieht und erwähnt das LAG Köln zwar an einer Stelle. Eine Prüfung des Sachverhaltes auf diese mögliche Verpflichtung hin erfolgt dann jedoch nicht. Allerdings scheint auch das BAG diese Möglichkeit äußerst eng zu fassen, nachdem es in seiner Entscheidung von 2019 (BAG a.a.O.) ausführt, die Klägerin habe explizit eine „Vertragsänderung“, nicht jedoch die anderweitige Beschäftigung direkt verlangen müssen. Solch feine Unterschiede zu erkennen wird juristischen Laien wohl kaum möglich sein. Diesen Aspekt gar nicht erst zu beleuchten allerdings dürfte auch nicht die Lösung des LAG sein. 

Es kann sich empfehlen, in ähnlichen Fällen deutlich und möglichst unmissverständlich eine Vertragsänderung zu verlangen. Allerdings dürfte diese regelmäßig dann eben auch mit einer geänderten Vergütung verbunden sein. Das mag der Grund sein, weshalb sich Arbeitnehmer natürlich zunächst einmal auf den Standpunkt stellen, dass eine reine Zuweisung im Rahmen des Direktionsrechts möglich und angezeigt ist und das Verlangen auf Vertragsänderung damit in den Hintergrund rückt. Das Vorgehen im konkreten Fall sollte mit Ihrem Fachanwalt für Arbeitsrecht abgestimmt werden und ist von den Umständen des Einzelfalles, Ihren arbeitsvertraglichen Regelungen und Arbeitsinhalten abhängig. 

Annika Pilz

Fachanwältin für Arbeitsrecht *

Annika Pilz schloss beide Examina mit Prädikat ab und war vor ihrer Tätigkeit für AfA Rechtsanwälte in der Personalabteilung eines der größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen tätig.

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