280 Tage Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

280 Tage Kündigungsschutz bei Schwangerschaft

Schwangere werden gegen Kündigungen besonders geschützt. Das findet in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG seinen Ausdruck. Zum einen soll einer werdenden Mutter nicht durch eine Kündigung die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen werden. Zum anderen will das Gesetz sowohl Mutter als auch Kind vor dem Stress schützen, den ein Kündigungsverfahren mit sich bringt. Mit seiner Entscheidung vom 24. November 2022 hat das BAG klargestellt, dass der Kündigungsschutz von Schwangeren bereits 280 Tage vor dem errechneten Entbindungstermin beginnt (nachzulesen unter dem Akz. 2 AZR 11/22).

Das LAG Baden-Württemberg hatte in der Vorinstanz eine vom BAG abweichende Auffassung vertreten. Danach sollte der Kündigungsschutz erst 266 Tage vor dem ärztlich errechneten Entbindungstermin eingreifen. Das LAG Baden-Württemberg hatte sich mit der Entscheidung bewusst gegen die bisherige BAG-Rechtsprechung gewandt.

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis der betroffenen Frau am 7. November 2020 ordentlich gekündigt. Fünf Tage darauf erhob die Frau Kündigungsschutzklage. Im Prozess legte die Klägerin eine Schwangerschaftsbestätigung ihrer Frauenärztin vom 26. November 2020 vor. Eine weitere Bestätigung ihrer Hausärztin ergab, dass der Geburtstermin voraussichtlich auf den 5. August 2021 fallen werde. Daraufhin behauptete die Klägerin, am 7. November 2020 bereits schwanger und deshalb unkündbar gewesen zu sein. Zwischen dem 7. November 2020 und dem 5. August 2021 lagen 271 Tage. Das Landesarbeitsgericht hatte dem Arbeitgeber Recht gegeben. Das BAG sah die Sache anders: Schon seit dem 29. Oktober 2020 habe der Kündigungsschutz bestanden.

Der Streit zwischen den Gerichten betrifft im Kern die Frage, ob auf die äußerste zeitliche Grenze abgestellt werden soll, innerhalb derer bei einem normalen Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen kann (280 Tage), oder ob dem Umstand Rechnung getragen werden muss, dass eine Befruchtung der Eizelle tatsächlich in der Regel erst am 12. bis 13. Zyklustag möglich ist, sodass der Kündigungsschutz um diesen Zeitraum auf 266 Tage verkürzt werden sollte.

Das BAG ließ sich von der LAG-Rechtsprechung nicht beirren und hielt an den 280 Tagen fest. Es gehe nicht um den naturwissenschaftlichen Beginn der Schwangerschaft im konkreten Fall, sondern um eine Berechnungsmethode, der prognostische Elemente innewohnen, wobei auch der verfassungsrechtliche Schutzauftrag zu beachten sei (Rn. 17 der Entscheidung). Insbesondere erfordere der Gesundheitsschutz der Schwangeren eine Orientierung am frühestmöglichen Zeitpunkt der Schwangerschaft. Nur so könne – auch in Übereinstimmung mit europäischem Recht – der Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen effektiv gewährleistet werden. Nur wenn ausnahmsweise einmal der exakte Beginn der Schwangerschaft feststellbar ist, sei auf diesen Zeitpunkt abzustellen.