Keine Pflicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten bei unwirksamer Rückzahlungsklausel

Keine Pflicht zur Rückzahlung von Fortbildungskosten bei unwirksamer Rückzahlungsklausel
© Leon Seibert - unsplash.com

Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsverträgen sind immer wieder ein Streitpunkt zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Die Anforderungen an die Wirksamkeit solcher Klauseln sind daher häufig Gegenstand arbeitsgerichtlicher Verfahren. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich Anfang des Jahres erneut mit der Frage der Wirksamkeit einer solchen Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag auseinanderzusetzen. Mit Urteil vom 01.03.2022, 9 AZR 260/21 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass eine Rückzahlungsklausel, die eine Rückzahlungsverpflichtung unabhängig vom Grund einer Eigenkündigung vorsieht, Arbeitnehmer:innen gemäß § 307 Abs.1 S.1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.

Der Fall: Fortbildungsvertrag für Altenpflegerin

Die beklagte Arbeitnehmerin war als Altenpflegerin in einer Reha-Klinik beschäftigt. Die Arbeitsvertragsparteien schlossen 2019 einen Fortbildungsvertrag, nach dem die Arbeitnehmerin an einer Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ teilnehmen sollte. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich zur Übernahme der durch die Teilnahme an der Fortbildung entstehenden Kosten. Die Arbeitnehmerin verpflichtete sich für mindestens 6 Monate nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme an die Arbeitgeberin zu binden.  

Der geschlossene Fortbildungsvertrag enthielt folgende Rückzahlungsklausel:

„§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungspflicht

(1) 

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.

(2) 

Scheidet der Arbeitnehmer auf Grund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs.1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag

Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen. 

(3) 

Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.

…“

Die Arbeitnehmerin schloss die Fortbildungsmaßnahme am 03.12.2019 erfolgreich ab. Mit Schreiben vom 29.11.2019 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 01.02.2020 und damit noch vor dem Ablauf von 6 Monaten nach dem Ende der Fortbildung. Die Arbeitgeberin forderte daraufhin von der Arbeitnehmerin unter Bezugnahme auf die Rückzahlungsklausel in dem Fortbildungsvertrag die anteilige Rückzahlung der Fortbildungskosten. 

Sowohl das Arbeitsgericht Würzburg (ArbG Würzburg vom 08.09.2020, 9 Ca 220/20) als auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG Nürnberg vom 26.03.2021, 8 Sa 412/20) wiesen die Klage der Arbeitgeberin ab. Die Revision blieb ebenfalls erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidungen und erklärte die in dem Fortbildungsvertrag enthaltene Rückzahlungsklausel für unwirksam, da sie die Arbeitnehmerin unangemessen benachteilige.

Die Entscheidung: Klage der Arbeitgeberin auf Rückzahlung abgewiesen

Das Bundesarbeitsgericht verneinte einen Anspruch der klagenden Arbeitgeberin aus § 3 Abs.2 Satz 1 und 3 des Fortbildungsvertrages auf Rückzahlung der anteiligen Fortbildungskosten. 

Die Rückzahlungsklausel unterlag als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle, da die Fortbildungsvereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht individuell ausgehandelt war. Sie hielt der Inhaltskontrolle jedoch nicht stand, da sie nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zu einer unangemessenen Benachteiligung führe und daher unwirksam sei.

In seinem Urteil vom 01.03.2022 stellte das Bundesarbeitsgericht zunächst klar, dass Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsverträgen grundsätzlich zulässig sind. Eine Rückzahlungspflicht, die hingegen schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des/ der Arbeitnehmers:in innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist anknüpfe und damit sämtliche Eigenkündigungen von Arbeitnehmern:innen erfasse, die nicht auf einem von dem/ der Arbeitgeber:in zu vertretenden Umstand beruhen, sei hingegen unzulässig. Es bedürfe vielmehr einer Differenzierung nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens.  

Eine Rückzahlungsklausel sei daher dann als unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs.1 S.1 BGB einzustufen, wenn sie Arbeitnehmer:innen, die ihr Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigen, weil es ihnen unverschuldet dauerhaft unmöglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Sind Arbeitnehmer:innen krankheitsbedingt und damit unverschuldet dauerhaft nicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage, so müsse es ihnen nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts möglich sein, sich von ihrem Arbeitsverhältnis lösen zu können, ohne sich einer Rückzahlungsverpflichtung ausgesetzt zu sehen. In einem solchen Fall sei eine Bindung der Arbeitnehmer:innen an ein „sinnentleertes“ Arbeitsverhältnis unangemessen und daher auch weder durch billigenswerte Interessen der Arbeitgeber:innen noch durch gleichwertige Vorteile der Arbeitnehmer:innen gerechtfertigt. Die Beschränkung der durch Art. 12 Abs.1 S.1 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit werde im Falle ihrer Leistungsunfähigkeit nicht mehr durch den erlangten Fortbildungsvorteil ausgeglichen. Arbeitgebern:innen sei es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts jedoch ohne weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen sich Arbeitnehmer:innen entschließen, eine Eigenkündigung auszusprechen, da sie vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildungsmaßnahme erworbene Qualifikation in dem Arbeitsverhältnis nicht mehr nutzen können.

Das Risiko, dass sich Investitionen in die Fortbildung von Arbeitnehmern:innen nicht auszahlen, weil diese unverschuldet dauerhaft ihre Arbeitsleistung nicht mehr erbringen können, gehöre zu dem unternehmerischen Risiko der Arbeitgeber:innen und sei daher allein von ihnen zu tragen.

Fazit: Rückzahlungsklauseln sehr oft unwirksam

Rückzahlungsklauseln können aufgrund zahlreicher Umstände unwirksam sein. So sind unter anderem Rückzahlungsklauseln, die eine Rückzahlungsverpflichtung unabhängig vom Grund einer Eigenkündigung vorsehen, unwirksam. 

Die Unwirksamkeit einer solchen Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag führt nach § 306 Abs.1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der Rückzahlungsklausel und damit auch der Rückzahlungspflicht unter Aufrechterhaltung des Fortbildungsvertrags.