Halbe Urlaubstage gibt es nicht – oder doch?

Halbe Urlaubstage gibt es nicht – oder doch?
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Urlaub kann nur für den ganzen Tag genommen werden. Halbe Urlaubstage gibt es nicht. Jedenfalls gilt dies für den gesetzlichen Mindesturlaub. Urlaub, der über das gesetzliche Mindestmaß hinaus gewährt wird, kann bei entsprechender Regelung im Arbeitsvertrag auch halbtags genommen werden.
So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg am 6. März 2019 entschieden.

Grundsätzliches zum Urlaubsanspruch

Arbeitet ein Arbeitnehmer fünf Tage in der Woche, hat er einen Anspruch auf mindestens 20 Urlaubstage im Jahr. Urlaubswünsche für einen konkreten Zeitraum kann der Arbeitgeber nur unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen. Dies ist etwa der Fall, wenn Urlaubsanträge anderer Arbeitnehmer vorgehen (insbes. wegen schulpflichtiger Kinder) oder der Arbeitnehmer in dem Zeitraum dringend gebraucht wird (z.B. wegen Hochsaison oder diverser Krankheitsfälle). Der Urlaub muss dann einvernehmlich auf andere Tage verlegt werden.

Viele Arbeitsverträge und Tarifverträge gewähren mehr Urlaubstage als gesetzlich vorgesehen. Bei der arbeitsvertraglichen Regelung spricht man auch vom vertraglichen Zusatzurlaub. Die Dauer, die Verteilung und den Verfall können Arbeitnehmer und Arbeitgeber freier als beim gesetzlichen Urlaubsanspruch bestimmen.

Mehrere Jahre halbe Urlaubstage gewährt

Geklagt hatte ein Mechaniker. Er arbeitete seit vielen Jahren in der Frühschicht des Betriebs von 6 bis 14 Uhr. Seine Familie betrieb ein Weingut, auf dem er neben der Arbeit aushalf. Zu diesem Zweck gab ihm die Arbeitgeberin in den letzten Jahren einige halbe Urlaubstage. Der Mechaniker verließ dann um 10 Uhr seinen Arbeitsplatz.

Für das Jahr 2017 und die kommenden Jahre wollte die Arbeitgeberin dem Mechaniker maximal sechs halbe Urlaubstage genehmigen.

Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht und verlangte, dass ihm zehn, zumindest aber acht, Urlaubstage in halben Tagen gewährt werden (insgesamt also 20 bzw. 16 halbe Urlaubstage).

Das Arbeitsgericht wies die Klage in erster Instanz ab. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer, indem er Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einlegte.

LAG Baden-Württemberg: Keine halben Urlaubstage

Die Richter des LAG entschieden im Ergebnis wie schon das Arbeitsgericht.

Urlaubstage des gesetzlichen Mindesturlaubs müssten zumindest zu einem Anteil von 10 Tagen im Zusammenhang gewährt werden. Der Urlaub könne nur in vielen Abschnitten gewährt werden, wenn dies wegen betrieblicher oder persönlicher Gründe erforderlich sei. Allein der Wunsch des Arbeitnehmers, den Urlaub zu zerstückeln, genüge nicht. Der gesetzliche Urlaub diene nämlich der Erholung. Dieser Zweck werde verfehlt, wenn die Tage nicht im Zusammenhang stünden. Die Aufteilung in halbe Tage sei daher nicht möglich.

Beim gesetzlichen Mindesturlaub könne davon auch nicht im Arbeitsvertrag abgewichen werden.

Mehr Spielraum bestehe hingegen beim vertraglich gewährten Urlaub, der über die gesetzliche Mindestdauer hinausgehe. Diese Urlaubstage könnten auch gestückelt – sogar halbtags – in Anspruch genommen werden. Voraussetzung dafür sei aber eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Daran fehle es im entschiedenen Fall. Auch die langjährige Praxis habe nicht zu einer schlüssigen Anpassung des Arbeitsvertrages geführt.

Fazit halbe Urlaubstage

Der gesetzliche Mindesturlaub ist in ganzen Tagen zu gewähren. Der Arbeitnehmer kann also keine halben Urlaubstage verlangen. Gewährt der Arbeitgeber sie doch, erfüllt er damit nicht den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Der Arbeitnehmer kann die „halb genutzten“ Tage dann sogar erneut einfordern (natürlich nur als ganze Urlaubstage).
Etwas Anderes gilt für die Urlaubstage, die der Arbeitgeber über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gewährt. Besteht eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag, können diese auch halbtags genommen werden. Dies hängt aber von der genauen vertraglichen Regelung ab!

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6.3.2019, Az.: 4 Sa 73/18

Britta Göppert

Fachanwältin für Arbeitsrecht und Zertifizierte Beraterin für Kündigungsschutzrecht (VDAA e.V.) *

Rechtsanwältin Britta Göppert ist spezialisiert auf Kündigungsschutzverfahren und alle anderen individualrechtlichen Angelegenheiten – auch mit Bezug zum öffentlichen Dienst (TVöD/TV-L). So vertritt sie Arbeitnehmer in Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber in puncto Aufhebungsvertrag, Abmahnung, Vergütung, Zeugnis und Urlaub. Darüber hinaus betreut sie Betriebsräte in Verhandlungen und Beschlussverfahren.

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