Fragen zum Fragebogen – Fragebögen als Kommunikationsmittel des Betriebsrats

Fragen zum Fragebogen – Fragebögen als Kommunikationsmittel des Betriebsrats
© Picsues - pixabay.com

Mit seiner Entscheidung vom 15. Juli 2022 (Akz.: 4 TaBVGa 1/22) hat das LAG Sachsen eine ältere Rechtsprechung des BAG (08. Februar 1977, Akz.: 1 ABR 82/74) fortgeführt, nach der der Betriebsrat mittels Fragebögen die Stimmung der Beschäftigten im Betrieb ermitteln darf.

In dem Fall hatte der Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs die dort beschäftigten Arbeitnehmer:innen angeschrieben und sie dazu eingeladen, an einer Mitarbeiterbefragung in Form eines Fragebogens teilzunehmen. Die Arbeitgeber forderten den Betriebsrat dazu auf, den Fragebogen zurückzuziehen und zu vernichten. Im gerichtlichen Verfahren wollten die Arbeitgeber erreichen, dass der Betriebsrat solche Mitarbeiterbefragungen unterlässt und etwaige Ergebnisse nicht veröffentlicht. Außerdem wollten die Arbeitgeber erreichen, dass eine grobe Pflichtverletzung des Betriebsrats im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG festgestellt wird.

Das LAG Sachsen hat in großem Umfang auf die Entscheidungsgründe des BAG aus dem Jahr 1977 zurückgegriffen. Danach kann der Betriebsrat für Fragebogenaktionen auf die Rechtsgrundlage aus § 80 Abs. 1 BetrVG zurückgreifen. Der Betriebsrat muss zur Erfüllung seiner Aufgaben mit den Beschäftigten des Betriebs in Kontakt treten und sich mit ihnen zu betrieblichen Themen austauschen dürfen. Eine bestimmte Form für diesen Austausch sieht das Betriebsverfassungsrecht nach Ansicht der 4. Kammer nicht vor. So ist der Betriebsrat gerade nicht auf seine Sprechstunden beschränkt, sondern kann auch proaktiv auf die Mitarbeiter:innen zugehen und um inhaltliche Anstöße für die Betriebsratsarbeit bitten. Solange sich dies im Rahmen hält und keinen zu tiefen Eingriff in die Arbeitsgebersphäre darstellt, ist auch die Aufforderung, einen Fragebogen auszufüllen, nicht zu beanstanden. Da der Fragebogen von den Mitarbeiter:innen zuhause ausgefüllt werden sollte, ist auch keine Störung des Betriebsablaufs zu erwarten gewesen.

Insbesondere war auch eine vorherige Ankündigung der Fragebogenaktion bei den Arbeitgebern nicht erforderlich. Denn der Betriebsrat führt seine Aufgaben selbständig durch und nimmt die Beschäftigteninteressen ebenso selbstständig und ohne Weisungen des Arbeitgebers wahr. Auch § 94 Abs. 1 BetrVG stand der Aktion nicht entgegen, da die Vorschrift gegen den Arbeitgeber wirkt und lediglich zugunsten des Betriebsrats ein Mitbestimmungsrecht etabliert. Sie kann aber nicht zulasten des Betriebsrats angewandt werden. 

Auch inhaltlich sind nach der Entscheidung des LAG Sachsen einer Fragebogenaktion keine zu engen Grenzen gesetzt. Solange sich der Fragebogen auf betriebliche Angelegenheiten in der Zuständigkeit des Betriebsrats bezieht, findet keine weitere inhaltliche Kontrolle statt. Eine Grenze ist erst erreicht, wenn die Fragen unsachlich werden oder ehrverletzenden Charakter haben und damit der Betriebsfrieden gestört wird. Deshalb ist es auch zulässig, durch Fragebögen die Zufriedenheit der Beschäftigten mit Vorgesetzten oder mit betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungsgremien abzufragen sowie dazu einzuladen, Missstände im Betrieb mitzuteilen. Als Argument sah das LAG im Anschluss an das BAG insbesondere § 98 Abs. 2 und 5 BetrVG, nach denen der Betriebsrat auf die Abberufung eines ungeeigneten Ausbilders drängen kann. Hierzu muss der Betriebsrat freilich erst einmal Informationen zur Eignung der Ausbilder erlangen können.

Das LAG Sachsen hatte im Eilverfahren zu entscheiden, sodass die Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich noch anders hätte ausfallen können. Eine Hauptsacheentscheidung ist durch das LAG Sachsen soweit ersichtlich nicht ergangen.