Fahrradkuriere haben Anspruch auf Fahrrad und Mobiltelefon

Fahrradkuriere haben Anspruch auf Fahrrad und Mobiltelefon
© Egor Myznik - unsplash.com

Kurierdienste müssen Fahrradlieferanten Fahrrad und Mobiltelefon stellen. Beides sind erforderliche Arbeitsmittel, auf die nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Arbeitsvertrag verzichtet werden kann. Zumindest muss das Unternehmen den Fahrern dann einen angemessenen Ausgleich dafür bezahlen, so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 10.11.2020 21, 5 AZR 334/21.

Die Nutzung von Lieferdiensten erfreut sich nicht schon seit der Corona Pandemie reger Beliebtheit. Vor allem in größeren Städten sind immer mehr Fahrradkuriere unterwegs. Viele Fahrer sind durch grelle Farben und auffällige Logos auf ihren Taschen und Fahrrädern sofort erkennbar. Diese sog. „Rider“ sind zwingend auf ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon angewiesen sind. Während einige Kurierdienste den Fahrern diese Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, verlangen andere von den Fahrern, dass sie ihre eigene Ausrüstung für die Auslieferung nutzen. Dagegen hatten sich zwei Fahrer gewährt und von ihrem Arbeitgeber ein Internet fähiges Mobiltelefon nebst Datennutzungsvertrag sowie ein verkehrstüchtiges Fahrrad verlangt. Die Einsatzpläne und Adressen von Restaurants und Kunden erhellten diese per App auf ihrem privaten Mobiltelefon, welches jedoch bis zu 2 GB Datenvolumen pro Monat benötigte. Bereits das Landesarbeitsgericht Hessen hatte den beiden recht gegeben und entschieden, dass ein Unternehmen die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendigen Betriebsmittel zur Verfügung stellen muss. Dies ließe sich nicht durch AGB ausschließen, insbesondere weil bei Fahrradlieferanten dieses „Vermögensopfer“ durchaus ins Gewicht falle.

Die Kläger hatten die über das Internet bei unterschiedlichen Restaurants bestellten Waren mit dem eigenen Fahrrad ausgeliefert und benutzten für die Abwicklung ihr eigenes Mobiltelefon. Dazu hatten sie sich im Arbeitsvertrag verpflichtet, wobei es sich um vom Arbeitgeber vorgegebene allgemeine Geschäftsbedingungen handelte. Danach wurde den Fahrern eine Reparaturgutschrift von 0,25 € je gearbeiteter Stunde gutgeschrieben, welche ausschließlich bei einem von dem Arbeitgeber bestimmten Unternehmen eingelöst werden konnte. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dies sei ausreichend. Ihre Kuriere würden ohnehin über ein Zweirad und ein Smartphone verfügen, weshalb sie durch die Verwendung ihrer eigenen Geräte nicht nennenswert belastet seien. Etwaige Nachteile seien durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Aufwendungsersatz geltend zu machen und durch das im Arbeitsvertrag vorgesehene Reparaturbudget ausgeglichen.

Auch das Bundesarbeitsgericht sah dies anders. Die AGB-Klauseln benachteiligten die Kläger unangemessen und seien daher unwirksam. Der Arbeitgeber werde durch die Regelung von Anschaffung und Betriebskosten entlastet und trage somit nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essenziellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Dieses liege vielmehr bei den Fahrern. Dies aber widerspricht dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel stellen und für deren Funktionsfähigkeit sorgen muss. Eine ausreichende Kompensation dieses Nachteils ist im Arbeitsvertrag nicht erfolgt. Die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit Aufwendungsersatz zu verlangen, stelle keine angemessene Kompensation dar, zumal sie nur die ohnehin geltende Rechtslage wiederhole. Außerdem sei die Höhe des zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets nicht anhand der Fahrleistung, sondern an der damit nur mittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit bemessen. Des Weiteren könne die Reparaturgutschrift nur bei einer vom Arbeitgeber bestimmten Werkstatt eingelöst werden. Für die Nutzung des Mobiltelefons sei überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen.

Die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestätigt die ganz herrschende Auffassung, dass der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen hat. Darüber hinaus stellt es fest, dass diese Pflicht im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen allenfalls dann abbedungen werden kann, wenn hierfür eine ausreichende Kompensation vorgesehen ist. Hier sollten hohe Maßstäbe angesetzt werden. Schließlich ist die Nutzung eigener Arbeitsmittel keinesfalls mit dem vereinbarten Arbeitsentgelt abbedungen. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat damit nicht nur für die Kurierbranche, sondern grundlegende Bedeutung. Dies gilt vor allem in Zeiten des Home- und Mobile-Office.