Equal-Pay-Klage hat Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht
Niemand darf aufgrund des Geschlechts schlechter bezahlt werden als die Kolleg:innen. Das sieht das Gesetz und die Verfassung vor. Frauen haben deshalb einen Anspruch auf gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 16. Februar 2023 klargestellt, dass sich daran auch dann nichts ändert, wenn es dem männlichen Kollegen gelungen ist, individuell ein höheres Gehalt mit dem Arbeitgeber auszuhandeln (Pressemitteilung des BAG). Damit hat das Gericht gesellschaftliche Realitäten angemessen berücksichtigt und einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern geleistet.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Mitarbeiterin in der Metallindustrie bekam weniger Lohn als ihr männlicher Kollege
- 2 Der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
- 3 Beweiserleichterung und Auskunftsanspruch für Betroffene von Lohndiskriminierung
- 4 Verhandlungsgeschick rechtfertigt keinen Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern
- 5 Der Betriebsrat kann und soll die Entgeltgleichheit im Betrieb fördern
- 6 Positives Zeichen für Entgeltgleichheit
Mitarbeiterin in der Metallindustrie bekam weniger Lohn als ihr männlicher Kollege
Eine Mitarbeiterin eines Metallunternehmens klagte gegen ihren Arbeitgeber, da ein männlicher Kollege, der fast zeitgleich wie sie eingestellt wurde und die gleichen Tätigkeiten ausführte, ein erheblich höheres Gehalt bekam als sie. Dabei stützte sie sich auf das Entgeltgleichheitsgebot von Männern und Frauen. Sie forderte entsprechende Lohnnachzahlungen und eine angemessene Entschädigung für die ihr widerfahrene Diskriminierung. Der Arbeitgeber argumentierte zum einen, der Gehaltsunterschied beruhe darauf, dass der männliche Kollege in der Gehaltsverhandlung einen höheren Betrag eingefordert habe. Zum anderen erkläre sich der Gehaltsunterschied damit, dass der männliche Kollege eine besser bezahlte, ausgeschiedene Mitarbeiterin ersetzt habe. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitgeber Recht. Die Klägerin ließ sich jedoch nicht entmutigen und zog bis vor das BAG. Ihre Unnachgiebigkeit hat sich nun ausgezahlt.
Der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Gemäß Artikel 3 Grundgesetz sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Europarechtlich gibt es in Artikel 157 AEUV die Vorgabe, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden müssen. Dieses Entgeltgleichheitsgebot ist auch auf private Unternehmen anwendbar. Diese Grundsätze sind in Deutschland außerdem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) niedergeschrieben: Nach § 3 und § 7 EntgTranspG darf nicht wegen des Geschlechts für gleiche oder gleichwertige Arbeit ein niedrigeres Gehalt gezahlt werden. In anderen Worten, Gehaltsunterschiede dürfen nicht auf dem Geschlecht beruhen, sondern nur auf objektiven und nachvollziehbaren, arbeitsbezogenen Gründen.
Beweiserleichterung und Auskunftsanspruch für Betroffene von Lohndiskriminierung
Dass ein Gehaltsunterschied auf dem Geschlecht beruht, ist für Betroffene typischerweise sehr schwer nachzuweisen. Deswegen sieht das AGG eine Beweiserleichterung vor. Betroffene müssen zunächst nur ein Indiz vortragen, dass ihre schlechtere Bezahlung auf ihrem Geschlecht beruht. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG, reicht als solches Indiz aus, dass ein:e Beschäftigte:r bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit weniger verdient als ein:e Kolleg:in des anderen Geschlechts. Und um dies rauszufinden, sieht das EntgTranspG in § 10 einen individuellen Auskunftsanspruch vor. Gelingt es, dieses Indiz aufzuzeigen, wird eine Entgeltbenachteiligung vermutet. Der Arbeitgeber kann diese Vermutung nur widerlegen, wenn er nachvollziehbar andere objektive und arbeitsbezogene Gründe vorträgt, die den Gehaltsunterschied rechtfertigen. Dies ist dem Arbeitgeber der Klägerin vor dem BAG nicht gelungen.
Verhandlungsgeschick rechtfertigt keinen Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern
Das BAG entschied, dass der Gehaltsunterschied nicht gerechtfertigt war. Insbesondere ist er nicht dadurch gerechtfertigt, dass der männliche Kollege der Klägerin einen höheren Lohn aushandeln konnte als sie. Diese Beurteilung des BAG ist zu begrüßen, da ein etwaiges größeres Verhandlungsgeschick von Männern kaum ein objektives Kriterium sein kann. Aufgrund geschlechtsspezifischer Sozialisierung treten Männer oft selbstbewusster in Gehaltsverhandlungen auf als gleichqualifizierte Frauen. Letztere müssen häufiger als Männer neben dem Gehalt auch noch über andere Arbeitsbedingungen mit ihrem Arbeitgeber verhandeln, damit sie Familie und Beruf vereinbaren können (Pressemitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte GFF). Auch die Begründung des Arbeitgebers, dass der männliche Kollege eine besser bezahlte ausgeschiedene Mitarbeiterin ersetzt habe, ließ das BAG nicht als objektiven Grund für die Ungleichbehandlung genügen.
Der Betriebsrat kann und soll die Entgeltgleichheit im Betrieb fördern
Betriebsräte haben gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und § 13 Abs. 1 EntgTranspG die Aufgabe, die Gleichstellung von Männern und Frauen im Betrieb einschließlich der Entgeltgleichheit zu fördern. Beschäftigte können sich mit Auskunftsverlangen gegen den Arbeitgeber immer zunächst an den Betriebsrat wenden. Der zuständige Ausschuss des Betriebsrats hat das Recht, Gehaltslisten einzusehen und auszuwerten.
Positives Zeichen für Entgeltgleichheit
Die Entscheidung des BAG ist ein positives Zeichen für die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. Arbeitgeber können sich nicht mehr damit rechtfertigen, dass ihre männlichen Mitarbeiter hartnäckiger verhandelt hätten. Frauen, die vermuten, dass sie bei der Bezahlung benachteiligt werden, können sich ermutigt fühlen, die gesetzlichen Instrumente zu nutzen und notfalls zu klagen. Betriebsräte können sie unterstützen und generell die Entgeltgleichheit im Betrieb fördern.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21 –