Das neue Nachweisgesetz – ein Überblick über wesentliche Änderungen

Das neue Nachweisgesetz – ein Überblick über wesentliche Änderungen
© Romain Dancre - unsplash.com

Das Nachweisgesetz (NachwG) in seiner neuen Fassung gilt seit dem 01.08.2022. Ziel der Gesetzesänderung ist, durch umfassende arbeitgeberseitige Informations- und Dokumentationspflichten transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer zu schaffen. Sowohl neue als auch bereits bestehende Arbeitsverhältnisse sind von der Neuerung umfasst. 

Geändert wurde der Umfang der dem Arbeitnehmer bekanntzugebenden wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses. Zudem wurden die dabei einzuhaltenden Nachweisfristen angepasst. Daneben bestehen nun empfindliche Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden bei Verstößen des Arbeitgebers gegen dessen gesetzliche Verpflichtungen. 

Die wesentlichen Änderungen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden:

Über welche Arbeitsbedingungen muss ein Nachweis geführt werden?

Die wesentlichen Vertragsbedingungen für Arbeitsverhältnisse, die ab dem 01.08.2022 schriftlich niederzulegen sind, sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG mindestens:

  1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
  4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
  5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
  6. sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
  7. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
  8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  9. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
    1. die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
    2. die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
    3. der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
    4. die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
  10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
  11. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
  12. ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
  13. wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
  14. das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
  15. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

Derzeit ist noch offen, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Pflichtangaben konkret sein müssen.

Zudem sind zusätzliche Mindestanforderungen insbesondere bei einer nicht nur kurzfristige Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers nach § 2 Abs. 2 und 3 NachwG vorgesehen. Bei Auslandstätigkeiten mit einem Auslandsaufenthalt von mehr als 4 Wochen ist vor Abreise eine schriftliche Niederschrift auszuhändigen, welche neben allgemeinen Nachweispflichten die folgenden Angaben enthalten muss:

  1. das Land oder die Länder der Auslandstätigkeit und die geplante Dauer der Arbeit,
  2. die Währung, in der die Entlohnung erfolgt,
  3. sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- und Sachleistungen,
  4. die Angabe, ob eine Rückkehr vorgesehen ist und ggf. die Bedingungen der Rückkehr.

Bei Entsendefällen im Sinne der Entsenderichtlinie sind zusätzlich der Mindestlohn des Entsendelandes sowie ein Link zu offiziellen nationalen Internetseiten der EU-Mitgliedstaaten über die jeweils geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen mitzuteilen.

In welcher Form ist der Nachweis vom Arbeitgeber zu erteilen?

Der deutsche Gesetzgeber hat weiterhin an der Schriftform festgehalten. Das bedeutet, dass der Nachweis auf Papier niederzulegen und arbeitgeberseitig im Original zu unterzeichnen ist. Die elektronische oder gar mündliche Form ist für den Nachweis ausgeschlossen. 

Dies betrifft allerdings nur die Dokumentations- und Nachweispflichten des Arbeitgebers nach dem NachwG. Arbeitsverträge können weiterhin mündlich oder in Textform abgeschlossen werden.  Der Nachweis über die Arbeitsbedingungen ist wie bisher von dem eigentlichen Arbeitsvertrag zu unterscheiden. Der Nachweis nach dem NachwG ist lediglich ein Überblick über die bereits geltenden arbeitsvertraglichen Bedingungen und keine Änderung des Arbeitsvertrages. Daher ist Vorsicht geboten, wenn der Arbeitgeber mit Verweis auf die Neuregelung im NachwG die Inhalte des Arbeitsvertrages ändern möchte. Dies ist grundsätzlich nur im beidseitigen Einvernehmen oder, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, mittels Änderungskündigung möglich.

Welche Fristen muss der Arbeitgeber einhalten?

Das NachwG betrifft jeden Arbeitnehmer, auch kurzfristige oder geringfügig Beschäftigte (z.B. Aushilfe oder Minijobber). Entscheidend ist lediglich, ob es sich um ein neues oder ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis handelt.

Bei neuen Arbeitsverhältnissen, beginnend ab dem 01.08.2022, sind unterschiedliche Fristen für die Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen zu beachten. Allen neuen Arbeitnehmern ist künftig im Rahmen eines dreistufigen Verfahrens jeweils in einem schriftlichen Dokument mitzuteilen:

Was?Frist
Name und Anschrift der Vertragsparteien, Angaben zum Arbeitsentgelt und zur Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 7 und 8 NachwG)Spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung
Insbesondere Zeitpunkt des Beginns, Angaben zur Befristung, zum Arbeitsort, Beschreibung der Tätigkeit, Dauer einer Probezeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6, 9 und 10 NachwGSpätestens am siebten Kalendertag nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses
Die übrigen notwendigen Angaben nach dem Nachweisgesetz (§ 2 Satz 2 NachwG)Spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses

Bereits vor dem 01.08.2022 beschäftigten Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass sie über die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich unterrichtet werden. Dort sind ebenfalls Fristen vom Arbeitgeber einzuhalten. Im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens muss jeweils mitgeteilt werden:

Was?Frist
Insbesondere Name und Anschrift der Vertragsparteien, Angaben zum Arbeitsentgelt und zur Arbeitszeit, Zeitpunkt des Beginns, Angaben zur Befristung, zum Arbeitsort, Beschreibung der Tätigkeit, Dauer einer Probezeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 10 NachwG)Spätestens am siebten Kalendertag nach Zugang der Aufforderung
die übrigen notwendigen Angaben nach dem Nachweisgesetz (§ 2 Satz 2 NachwG)Spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung

Eine bestimmte Form für die Aufforderung des Arbeitnehmers ist gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings sollte die Aufforderung zur besseren Nachweisbarkeit jedenfalls in Textform (z.B. via E-Mail) erfolgen. 

Soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die erforderlichen Angaben bereits enthält, entfällt die Nachweispflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann die erforderlichen Angaben also auch in einem Dokument im Rahmen der ersten Stufe oder früher (z.B. im Rahmen des Arbeitsvertrages) mitteilen.

Eines (Neu-) Abschlusses eines schriftlichen Arbeitsvertrages bedarf es nicht. Der Arbeitgeber muss Auskunft über bestimmte wesentliche Vertragsbedingungen zu dem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis geben.

Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist dem Arbeitnehmer zudem spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam wird, schriftlich mitzuteilen. Davon ausgenommen sind Änderungen gesetzlicher Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.

Was droht dem Arbeitgeber bei Verstößen?

Ab dem 01.08.2022 werden Verstöße gegen die Dokumentations- und Nachweispflichten als Ordnungswidrigkeit behandelt und können je Verstoß mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 € geahndet werden.

Fazit

Das neue NachwG bietet für viele Arbeitnehmer die Möglichkeit, transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen zu erhalten. Des Häufigeren kommt es in der Praxis vor, dass Arbeitnehmer über keine oder allenfalls „spärliche“ Arbeitsverträge verfügen. Nunmehr besteht die erweiterte Möglichkeit, schriftliche Auskunft über wesentliche Vertragsbedingungen zu erhalten. Zudem gelten für Neueinstellungen ab dem 01.08.2022 die neuen Nachweispflichten stets und ohne, dass es einer Aufforderung des Arbeitnehmers bedürfte. Freilich gibt der vom Arbeitgeber verfasste Nachweis lediglich die Auffassung des Arbeitgebers wieder. Werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über die geltenden Arbeitsbedingungen einig, müsste geklärt werden, was konkret Inhalt des Arbeitsvertrages ist.