BAG: Pauschales Kopftuchverbot an Berliner Schulen ist verfassungswidrig
Das Bundesarbeitsgericht hatte kürzlich erneut eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Tragens eines Kopftuchs aus religiösen Gründen am Arbeitsplatz zu treffen.
Hintergrund der Entscheidung
Im zu entscheidenden Fall bewarb sich eine Diplom-Informatikerin beim Land Berlin als Quereinsteigerin um eine Beschäftigung als Lehrerin in den Fächern Informatik und Mathematik. Die Bewerberin, eine gläubige Muslima, trägt aus religiöser Überzeugung ein Kopftuch. Nach ihrem Bewerbungsgespräch wurde sie auf das Berliner Neutralitätsgesetz hingewiesen. Nach § 2 dieses Gesetzes dürfen Lehrer*innen an öffentlichen Schulen während ihres Dienstes, mit Ausnahme von Religions- und Ethikunterricht, keine sichtbaren religiösen Symbole oder Kleidungsstücke tragen. Die Bewerberin erklärte daraufhin, dass sie ihr Kopftuch im Unterricht nicht ablegen werde.
Klage auf Entschädigung nach dem AGG
Nachdem ihre Bewerbung erfolglos blieb, verklagte die Bewerberin das Land Berlin auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das eine Benachteiligung von Bewerber*innen wegen ihrer Religion verbietet. Die Klägerin berief sich auf die Verfassungswidrigkeit von § 2 des Neutralitätsgesetzes, da dieses gegen die Glaubensfreiheit aus Art. 4 GG verstoße. Das Land Berlin argumentierte, dass das Verbot des Tragens von sichtbaren religiösen Symbolen oder Kleidungsstücken zur Sicherstellung der staatlichen Neutralität bereits vorsorglich, also auch ohne eine konkrete Gefahr, erforderlich sei.
ArbG weist die Klage ab; LAG verurteilt das Land Berlin zur Zahlung
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage in erster Instanz ab. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sah das anders und verurteilte das Land Berlin zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.159,88 €.
Entscheidung des BAG
Das BAG schloss sich der Auffassung des LAG an.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Entschädigung aus § 15 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund ihrer Religion. Es bestehe eine nicht widerlegte Vermutung für eine Benachteiligung, da ein Mitarbeiter des Landes die Klägerin auf das Verbot des Tragens eines Kopftuches hingewiesen hatte und diese ein Ablegen des Kopftuches ausdrücklich ablehnte. Das Land könne sich auch nicht auf § 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes berufen. Ein pauschales Verbot sei nicht mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Religionsfreiheit aus Art. 4 GG vereinbar. Das Land könne sich nicht auf abstrakte Gefahren berufen. Daher müsse die Vorschrift im Einklang mit dem Grundgesetz so ausgelegt werden, dass ein Kopftuchverbot nur im Falle einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Klägerin zusätzlich zum Tragen des Kopftuches offen geworben hätte. Eine konkrete Gefahr durch das reine Tragen eines Kopftuches hatte das LAG bereits richtigerweise mit der Begründung verneint, dass vom Kopftuch selbst noch kein „werbender oder gar missionierender Effekt“ ausgehe.
AfA ist auch mit einem Büro in der Landeshauptstadt vertreten: Anwalt für Arbeitsrecht in Berlin