Baby it’s cold inside: Wie kalt darf es am Arbeitsplatz sein?

Baby it’s cold inside: Wie kalt darf es am Arbeitsplatz sein?
© geralt - pixabay.com

Im Sommer haben wir über die hohen Temperaturen am Arbeitsplatz gestöhnt und erklärt, was Arbeitgeber:innen tun müssen, wenn es zu warm ist. Jetzt haben wir Winter und seit dem 01.09.2022 gilt die Energieeinsparverordnung nach der bis zum 28.02.2023 öffentliche Räume übergangsweise nur noch bis max. 19°C geheizt werden dürfen. Die Verordnung sieht auch vor, dass Arbeitgeber:innen die Temperaturen weiter senken dürfen als bisher. 

Welche Temperatur ist die richtige?

Diese Frage ist nicht einheitlich zu beantworten, denn natürlich gibt es neben den warmen Arbeitsplätzen im Büro auch schon immer welche, an denen es eher kalt sein kann, beispielsweise in Kühlhäusern. Es kommt also sehr auf den Einzelfall an.

Für alle Arbeitsräume gibt es Vorschriften zum Arbeitsschutz, allen voran die Regelungen der Arbeitsstättenverordnung („ArbStättV“). Diese regelt aber nur, dass Arbeitsräume unter Berücksichtigung der Tätigkeit und der jeweiligen Belastung eine „gesundheitlich zuträgliche“ Temperatur haben sollen. Ergänzend gibt es dazu die Technischen Regeln für Arbeitsstätten („ASR“). Bei der Temperatur am Arbeitsplatz ist die ASR A3.5 zu beachten, die die Raumtemperatur regelt. Aber auch die ASR S3.6 und die ASR A1.5 können eine Rolle spielen, da sie Vorgaben zu den Themen Lüftung und Fußboden enthalten.

Die Raumtemperatur ist die vom Menschen empfundene Temperatur, die durch Luft- und Strahlungswärme beeinflusst wird. Wie warm es am Arbeitsplatz sein darf hängt dabei wesentlich von der körperlichen Belastung während der Arbeit ab, da es so warm sein soll, dass die Wärmebilanz ausgeglichen ist. Konkret heißt das, je anstrengender die Arbeit ist, desto kühler darf es am Arbeitsplatz sein. Dabei ist zwischen leichter, mittlerer und schwerer Belastung unterschieden.

Daraus ergibt sich erst einmal nur, dass es bei leichter körperlicher Belastung am Arbeitsplatz nicht so kalt sein darf, wie bei mittlerer oder schwerer Belastung durch handwerkliche Tätigkeiten oder dauerhafte harte Arbeit. Die konkrete Intensität der Belastung durch eine Tätigkeit kann nur individuell bestimmt werden.

Wie kalt darf es denn jetzt am Arbeitsplatz sein?

Die ASR A3.5 sieht vor, dass die Temperatur am Arbeitsplatz bei vorwiegend im Sitzen ausgeübten Tätigkeiten bei leichter Belastung nicht unter 20° C und bei mittelschweren Tätigkeiten nicht unter 19° C liegen darf. Bei Tätigkeiten im Stehen oder Gehen darf die Temperatur bei leichter Belastung nicht unter 19° C sinken und bei mittlerer Belastung nicht unter 17° C. Bei schwerer körperlicher Arbeit darf es am Arbeitsplatz nicht kälter sein, als 12° C. Dagegen muss die Lufttemperatur in Pausen- oder Sanitärräumen immer bei mindestens 21° C liegen.

Nach der neuen Energiesparverordnung, die übrigens wenig energiesparend Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung („EnSikuMaV“) heißt, dürfen Arbeitgeber:innen befristet die Grenzwerte bei der Raumtemperatur um 1° C unterschreiten. Konkret gelten bis zum 28.02.2023 jetzt folgende Werte: 

19° C bei körperlich leichter und überwiegend sitzender Tätigkeit 18° C bei körperlich leichter Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen
18° C bei mittelschwerer und überwiegend sitzender Tätigkeit
16 ° C bei mittelschwerer Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen

Im Gegensatz zu öffentlichen Gebäuden, in denen es nicht wärmer sein darf, gelten diese Temperaturen bei privaten Arbeitgeber:innen aber nur als Mindestwerte. Grundsätzlich darf es wärmer sein, nur dürfen Arbeitgeber:innen die Temperaturen eben auch auf dieses Maß senken.  

Was können Arbeitnehmer:innen tun, wenn es zu kalt ist?

Einfach zu Hause bleiben, wenn es am Arbeitsplatz zu kalt ist, geht nur in extremen Ausnahmefällen. Bleibt man zu Hause riskiert man letztendlich die, gegebenenfalls sogar fristlose, Kündigung des Arbeitsvertrages. Nur weil die vorgegebenen und nun niedrigeren Mindesttemperaturen unterschritten werden, können Arbeitnehmer:innen also nicht automatischen zu Hause bleiben und auf Bezahlung des Gehalts bestehen. Arbeitgeber:innen müssen jedoch die nach der ASR vorgesehenen Schutzmaßnahmen ergreifen und gewährleisten, dass der Arbeitsplatz kein gesundheitliches Risiko darstellt. Arbeitnehmer:innen können also die Einhaltung der Mindesttemperaturen verlangen und auch verlangen, dass die Nachteile der Senkung der Temperatur abgemildert werden, wenn Gefahren für die Gesundheit bestehen. Denkbar wären hier etwa längere oder häufigere Pausen, da die Temperatur in den Pausenräume nicht gesenkt werden darf. Dies durchzusetzen ist für die einzelnen Arbeitnehmer:innen oft schwierig, weshalb es wichtig ist, dass sich die Betriebsräte dieses Themas annehmen und für bestmögliche Bedingungen am Arbeitsplatz sorgen.

Was kann der Betriebsrat tun?

Wenn Arbeitgeber:innen die Temperaturen am Arbeitsplatz senken wollen, dann geht das nur nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats, der auch darüber wachen muss, dass Gefährdungen der Gesundheit der Arbeitnehmer:innen durch niedrigere Temperaturen vermieden werden. 

Nach § 5 ArbSchG ist für jeden Arbeitsplatz eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dabei ist zu ermitteln, welche Gefährdungen am konkreten Arbeitsplatz bestehen und welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes dadurch erforderlich sind. Da sich durch die Absenkung der Temperaturen die Situation am Arbeitsplatz erheblich verändern kann, werden Arbeitgeber:innen auch dann eine neue Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen, wenn sie die Temperaturen senken wollen.

Der Betriebsrat sollte zudem sein Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG wahrnehmen. Er kann zwar nicht festlegen, ob die Temperaturen gesenkt werden oder nicht, aber er ist bei der Umsetzung der Entscheidung zu beteiligen. Denkbar ist zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung, in der im Zusammenhang mit der Senkung der Temperaturen Ausgleichsmaßnahmen vereinbart werden, um so die Nachteile für die Arbeitnehmer:innen zu mildern.

Christian Heinzelmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht *

Rechtsanwalt Christian Heinzelmann spezialisierte sich bereits während seines Studiums an der FAU Erlangen auf das Arbeitsrecht. Nach dem Referendariat in Nürnberg war Rechtsanwalt Heinzelmann über 15 Jahre in mittelständischen Kanzleien im Großraum Nürnberg/Fürth/Erlangen mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht tätig, zuletzt in einer größeren wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzlei in Erlangen.

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