Arbeitnehmer oder selbständig – welche Bedeutung die Abgrenzung hat

Arbeitnehmer oder selbständig – welche Bedeutung die Abgrenzung hat
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Nicht immer lässt sich eindeutig bestimmen, ob jemand beim Betrieb fest angestellt oder als Selbständiger für ihn tätig ist. Die Einordnung ist entscheidend für Sozialversicherung, Kündigung und vieles mehr. 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hatte vor kurzem über diese Frage für einen Co-Trainer einer Hockey-Mannschaft zu entscheiden. 

Warum die Abgrenzung von Arbeitnehmer und Selbständigkeit wichtig ist

Gerade in modernen Beschäftigungsformen kann häufig nur schwer unterschieden werden, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Betriebe nutzen dies für sich aus und versuchen, ihre „Mitarbeiter“ als selbständige Freelancer, Auftragnehmer oder Dienstleister zu führen. Auch für Vereine mit (vermeintlich) ehrenamtlich Tätigen kann diese Frage von großer Bedeutung sein. 

Den Betroffenen werden durch die sog. Scheinselbständigkeit wichtige Rechte vorenthalten. So etwa: 

  • Der Kündigungsschutz für Arbeitnehmer
  • Die Versorgung durch die Sozialversicherungen
  • Die Vertretung durch den Betriebsrat
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
  • Zwingendes Recht auf Urlaub

Zur Abgrenzung kann es zum Beispiel darauf ankommen, wie sehr der Betroffene an die Weisungen des Chefs gebunden, ob er auch für andere mit ähnlichen Diensten tätig ist und in wessen Räumen er arbeitet. 

Die Fälle der sog. Scheinselbständigkeit werden immer häufiger. Bei Zweifeln lohnt es sich daher, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen, ob in Wahrheit ein Arbeitsvertrag vorliegt. 

Co-Trainer – Arbeitnehmer oder selbständig?

Im entschiedenen Fall trainierte der als „Trainerassistent“ bzw. „Co-Trainer“ beschäftigte Kläger mehrere Hockey-Mannschaften eines Sportvereins. Dafür verlangte er eine entsprechende Vergütung bzw. Aufwandsentschädigung. Diese lehnte der Verein jedoch ab, da er von einer selbständigen ehrenamtlichen Tätigkeit ausging.

Mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht kam der Co-Trainer nicht weit: Das Arbeitsgericht stellte fest, dass er den falschen Rechtsweg eingeschlagen habe. Statt vor das Arbeitsgericht hätte er vor das Amtsgericht ziehen müssen. Dies bestätigte nun auch das LAG. Letztlich ging es dabei nur um die Frage, ob der Kläger als Arbeitnehmer einzustufen war. 

Arbeitnehmer oder selbständig? Der Einzelfall entscheidet

Auch das LAG entschied, dass der Fall nicht vor das Arbeitsgericht gehöre, da der Co-Trainer kein Arbeitnehmer sei.

Grundsätzlich könne eine Trainerassistenz sowohl als Arbeitsverhältnis als auch als selbständige Tätigkeit gestaltet werden. Dies sei bereits bei der sozialrechtlichen Einordnung des Trainerberufs anerkannt. Für die arbeitsrechtliche Einordnung gelte nichts Anderes.

Jedoch müsse es sich tatsächlich auch um ein Arbeitsverhältnis handeln. Dabei sei die vertragliche Bezeichnung der Beschäftigung irrelevant. Auch aus den Begriffen „Trainerassistenz“ und „Co-Trainer“ folge nicht schon die Arbeitnehmereigenschaft

Der Trainer habe aber ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit – gerade bei kurzfristigen Einsätzen. Dies spreche dafür, dass er nicht weisungsgebunden sei. Für die Eigenschaft als Arbeitnehmer wäre dies aber erforderlich.

So liege es auch bei der Tätigkeit des klagenden Co-Trainers. Er habe das Training zum Teil alleine geleitet und beaufsichtigt, ein Meisterschaftsspiel alleine betreut und Videoanalysen des Spiels selbst koordiniert. Dies zeige, dass dem Co-Trainer bestimmte Aufgabenbereiche zur selbständigen Durchführung überlassen worden seien und er weisungsfrei gearbeitet habe. Diese Umstände sprächen gegen ein Arbeitsverhältnis und für eine selbständige Tätigkeit.

Fazit „Arbeitnehmer oder Selbstständiger“

Der Fall zeigt, dass pauschale Antworten zur Einordnung als Arbeitnehmer nicht möglich sind. Es kommt stets auf den Einzelfall an. Besonderen Wert legen die Gerichte auf die Weisungsbindung. Je mehr die Tätigkeit von Vorgaben bestimmt ist, desto eher kann ein Arbeitsvertrag angenommen werden. 

Übrigens: Ob der Co-Trainer aus dem dargestellten Fall eine Vergütung verlangen kann, wird davon abhängen, ob ein Vertrag mit dem Verein anzunehmen und eine Vergütung üblicherweise zu erwarten ist. Das Gericht hatte darüber noch nicht zu entscheiden. 

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss v. 05.09.2019, Az.: 15 TA 2/19. 

Bettina Kunst

Fachanwältin für Arbeitsrecht *

Rechtsanwältin Bettina Kunst spezialisierte sich bereits während ihres Studiums in Erlangen und Regensburg auf das Arbeitsrecht. Nach ihrem Referendariat in Nürnberg war Rechtsanwältin Kunst zunächst für mehrere Jahre im öffentlichen Dienst mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht tätig, bevor sie nach mehrjähriger Tätigkeit als Justiziarin im internationalen Kunsthandel, als Rechtsanwältin in eine arbeitsrechtlich ausgerichtete Kanzlei wechselte.

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