Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds: Nicht wegen Tätigkeit im Betriebsrat

Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds: Nicht wegen Tätigkeit im Betriebsrat
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Die Stellung eines Betriebsratsmitglieds ist streng von seiner Stellung als Arbeitnehmer zu trennen. Dem Arbeitnehmer darf durch seine Mitarbeit im Betriebsrat kein Nachteil im Arbeitsverhältnis entstehen. Auch bei Abmahnungen ist deshalb zu unterscheiden: Verletzt der Arbeitnehmer Pflichten in seiner Rolle als Betriebsrat, kann der Chef ihn deshalb nicht abmahnen.

Über einen solchen Fall hatte kürzlich das Arbeitsgericht Stuttgart zu entscheiden. Drei Betriebsratsmitglieder hatten geklagt, weil sie ihre Abmahnungen für unwirksam hielten. Mit Erfolg: Die Arbeitgeberin muss die Abmahnungen aus den Personalakten entfernen.

Wann können Betriebsräte abgemahnt werden?

Betriebsräte sollen durch ihr Amt weder Vorteile genießen noch Nachteile erleiden. Das beinhaltet, dass die Tätigkeit als Betriebsrat keinen Einfluss auf die gewöhnliche Stelle im Betrieb haben soll. Entsprechend kann der Chef einen Betriebsrat nicht abmahnen, weil er sich in dieser Rolle falsch verhalten hat. Verletzt ein Betriebsrat seine Amtspflichten, kann der Arbeitgeber allenfalls versuchen, das Mitglied aus dem Betriebsrat auszuschließen gem. § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Auch ein Betriebsratsmitglied kann allerdings abgemahnt werden, wenn es die Pflichten als gewöhnlicher Arbeitnehmer verletzt. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig zu spät zur Arbeit erscheint. Die Tätigkeit für den Betriebsrat hilft ihm dabei nicht. Damit hat die Verspätung nämlich nichts zu tun.

Gegen eine unberechtigte Abmahnung eines Betriebsrats kann sich nur das betroffene Betriebsratsmitglied wehren. Ein Anspruch des gesamten Betriebsrats als Gremium besteht nicht.

Zum Fall: Abmahnung wegen Verstoßes gegen Friedenspflicht

An einem Standort der Arbeitgeberin besteht ein Betriebsrat mit drei Mitgliedern. Dieser Betriebsrat beabsichtigte, gegen die angeblich falsche Berechnung von Prämien für Außendienstmitarbeiter vorzugehen. Um das gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung dieser Ansprüche zu unterstützen, forderte der Betriebsrat die Außendienstarbeiter per E-Mail auf, den für sie erstellten individuellen Arbeitszielen zu widersprechen.

Die Arbeitgeberin meint, dass das Versenden der E-Mails gegen gesetzliche Pflichten der Betriebsratsmitglieder verstoße. Sie führt das das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und die Friedenspflicht (§ 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) an. Deshalb mahnte die Arbeitgeberin die Betriebsratsmitglieder ab und drohte mit einem Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG.

Die Betriebsratsmitglieder zogen vor das Arbeitsgericht Stuttgart, um die Unwirksamkeit der Abmahnungen feststellen zu lassen. Der Antrag hatte Erfolg.

Arbeitsgericht Stuttgart: Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ist unwirksam

Das Gericht entschied, dass die Arbeitgeberin die Abmahnungen aus den Personalakten der Betriebsratsmitglieder entfernen müsse. Sie sei nämlich nicht zulässig.

Dies gelte unabhängig von der Frage, ob der Betriebsrat mit den E-Mails tatsächlich gegen Pflichten aus dem BetrVG verstoßen habe. Die Personalakten bezögen sich nämlich nur auf die dienstlichen und persönlichen Verhältnisse der Mitarbeiter. Die Stellung als Betriebsratsmitglied sei davon zu trennen.

Die Aufnahme solcher Abmahnungen in die Personalakte gefährde unter Umständen die berufliche Stellung des Betriebsratsmitglieds. Dies sei wegen des Benachteiligungsverbotes nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässig.

Fazit „Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds“

Wird ein Betriebsratsmitglied abgemahnt, weil es gegen Pflichten als Betriebsrat verstoßen hat, lohnt es sich, gegen diese Abmahnung vorzugehen. Denn in den meisten Fällen ist die Abmahnung rechtswidrig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 09.09.2015 – 7 ABR 69/13; Urteil vom 26.01.1994 – 7 AZR 640/92; Urteil vom 10.11.1993 – 7 AZR 682/92; Urteil vom 15.07.1992 – 7 AZR 466/91) sind vertragsrechtliche Sanktionen wie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder einer individualrechtlichen Abmahnung, mit der kündigungsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, ausgeschlossen, wenn ein Betriebsratsmitglied ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten verletzt.

Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2019, Az. 4 BV 251/18

Evgeny Khazanov

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner

Rechtsanwalt Evgeny Khazanov ist bei AfA in allen Angelegenheiten des Individual- und Kollektiv-Arbeitsrechts tätig. Er spricht fließend Englisch und Russisch und betreut daher regelmäßig internationale Mandanten.

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