Mit Entgelt­umwandlung trotz und während Pfändung und (Privat-)Insolvenz die eigene Rente erhöhen

Mit Entgelt­umwandlung trotz und während Pfändung und (Privat-)Insolvenz die eigene Rente erhöhen
© Towfiqu barbhuiya - unsplash.com

Bei einer Gehaltspfändung muss der Arbeitgeber den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens seines/seiner Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin an den Gläubiger weiterleiten. Gehört auch die Versicherungsprämie für eine Entgeltumwandlung mittels Direktversicherung zum pfändbaren Einkommen mit der Folge, dass der Arbeitgeber auch diesen Betrag an den Gläubiger abführen muss?

 Dies hat das BAG (8 AZR 96/20 vom 14.10.2021) nun verneint.

Der Fall:

Im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens teilte das Familiengericht die Schulden aus einem Bauprozess zwischen Ehemann und Ehefrau auf. Die Ehefrau wurde zur Zahlung von knapp 23.000,- € an den Ehemann verpflichtet. Nachdem die Ehefrau nicht freiwillig zahlte, ließ der Ehemann im November 2015 das Arbeitseinkommen seiner Ehefrau pfänden. Der Arbeitgeber überwies fortan den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens monatlich an den Ehemann. 

(Erst) im März 2016 und somit ein halbes Jahr nach der Pfändung vereinbarte die Ehefrau mit ihrem Arbeitgeber, dass dieser monatlich 248,- € ihres Arbeitseinkommens (=4 % der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) nicht an sie bzw. ihren Ehemann, sondern im Wege der Entgeltumwandlung unmittelbar in eine Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge einzahlen solle (Vereinbarung nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Der Arbeitgeber zahlte sodann monatlich die 248,- € an die Versicherung und überwies dem Ehemann 248,- € weniger. 

Hiergegen wandte sich der Ehemann mit seiner Klage. Die Entgeltumwandlung nach Pfändung sei eine Verschleierung des Arbeitseinkommens (§ 850 h ZPO) und eine ihn benachteiligende Verfügung (§ 829 Abs. 1 S. 2 ZPO), der Arbeitgeber habe ihm den vollen Betrag zu überweisen.

Dies sahen die BAG-Richter anders: Sie stellten klar: 

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den/die Arbeitnehmer/in eine Direktversicherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin durch Entgeltumwandlung für seine/ihre betriebliche Altersversorgung verwendet werden, liege insoweit grundsätzlich kein pfändbares Einkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO mehr vor. Die Ehefrau habe schlicht von ihrem Recht auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht. 

Praktische Konsequenzen des Urteils

Das Urteil hat große praktische Bedeutung

  • Arbeitnehmer, deren Arbeitseinkommen bereits gepfändet wird (auch im Rahmen einer Insolvenz) und die bereits über einen abgeschlossenen Direktversicherungsvertrag verfügen, sollten prüfen, ob ihr Arbeitgeber die Beiträge korrekt an die Versicherung oder aber an den Gläubiger abführt. Ferner empfiehlt es sich zu prüfen, ob nach dem jeweiligen Vertrag zusätzliche einmalige Sonderzahlungen an die Versicherung möglich sind.
  • Arbeitnehmer*innen, die über keinen Direktversicherungsvertrag verfügen, können prüfen, ob ihr pfändbares Arbeitseinkommen an ihren Gläubiger oder aber zum Teil in eine betriebliche Altersversorgung zu ihren Gunsten fließen soll. Nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG muss ihr Arbeitgeber mit ihnen auf ihren Wunsch hin eine Vereinbarung über eine sog. Entgeltumwandlung abschließen. Grundlage hierfür ist ein Vertrag mit einer Versicherung über eine sog. „Direktversicherung“.

Dabei sollten sie aber folgendes beachten:

Keinesfalls sollte die Entscheidung für eine Entgeltumwandlung ausschließlich fallen, um dem Gläubiger Geld zu entziehen.

Wegen der relativ hohen Kosten empfehlen sich Direktversicherungsverträge in der Regel eher bei sehr langer tatsächlicher Laufzeit. Eine Kündigung kann mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbunden sein. Daher sollten Arbeitnehmer*innen immer prüfen, ob sich ein solcher Vertrag für sie auch nach abgeschlossener Pfändung oder Insolvenz lohnt. Ferner sollten sie die im Versicherungsvertrag vereinbarten Beiträge bis zum Ende der Vertragslaufzeit (meist Vollendung des 60./63. Lebensjahres) monatlich abführen können. U.U. können zusätzliche Sonderzahlungen vereinbart werden.

  • Das BAG hat angedeutet, dass es wegen § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG eine Entgeltumwandlung nur bis zu einem Betrag von 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung akzeptieren wird. Diese liegt derzeit monatlich 7.100 € (West) bzw. 6.700, – € (Ost).

Fazit: 

Die Pfändung von Arbeitseinkommen (auch Insolvenz) schließt das Recht aus § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG, betriebliche Altersversorgung zu betreiben, nicht aus. Auch noch nach bereits erfolgter Pfändung oder bereits laufendem Insolvenzverfahren können Arbeitnehmer*innen also betriebliche Altersversorgung – wie alle anderen Arbeitnehmer*innen* auch – betreiben.