Krankmeldung als Streikmittel? AfA im Interview in den NN

Krankmeldung als Streikmittel? AfA im Interview in den NN
© pix4U - Fotolia.com

Wer die letzten Tage die Zeitung aufgeschlagen hat, der kam an einem Thema nicht vorbei: Die gravierenden Flugausfälle bei TUIfly und Air Berlin. Was war passiert? Bei Air Berlin kriselt es – die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft schreibt seit geraumer Zeit rote Zahlen. Allein ihrem arabischen Großinvestor Etihad ist es zu verdanken, dass die rund 144 Flugzeuge der Airline noch in der Luft sind.

Die bisher vorgenommenen Einsparungen haben nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Das Management konnte den Abwärtstrend nicht aufhalten. Um einen Weg aus der prekären Situation zu finden und weiter Kosten zu sparen, sollen nun Teile von Air Berlin mit TUIfly zu einer neuen Dachholding unter der Führung von Etihad zusammengefasst werden. Zudem sollen 40 Flugzeuge an die Lufthansa verkauft werden.

Als Konsequenz der Umstrukturierungsmaßnahmen befürchten Arbeitnehmervertreter bei TUIfly neben finanziellen Einbußen einen gravierenden Stellenabbau. Die unsichere Zukunftsprognose hatte in den letzten Tagen zu erheblichen Krankenständen bei TUIfly geführt. Etwa 450 Mitarbeiter des Flugpersonals hatten sich kurzfristig krank gemeldet. Der Flugbetrieb der Airline kam daraufhin komplett zum Erliegen. Die Geschäftsleitung von TUI reagierte mit einer Standort- und Tarifgarantie für mindestens drei Jahre. Zudem sicherte sie zu, die Entscheidung über die geplante Neuorientierung auf Mitte November zu verschieben.

Nach den Ausfällen der vergangenen Tage ist TUIfly nun am Sonntag wieder zum Normalbetrieb zurückgekehrt, auch wenn es nach Angaben des Firmensprechers noch zu vereinzelten Verzögerungen kam. Zugleich wurden Stimmen aus dem Lager der Arbeitgeber laut, die in dem plötzlichen hohen Krankenstand der TUI Beschäftigten eine „Form des versteckten Arbeitskampfes“ sahen. Derart gehäufte Krankenmeldungen müssten rechtliche Konsequenzen für die Beschäftigten haben.

Ob das Flugpersonal aber tatsächlich arbeitsrechtlich belangt werden kann, wird durchaus kritisch gesehen. Marc-Oliver Schulze, Fachanwalt für Arbeitsrecht der AfA Rechtsanwälte am Standort Nürnberg nahm hierzu in den Nürnberger Nachrichten Stellung.

Das Interview zum nachlesen aus den Nürnberger Nachrichten:

Nürnberger Arbeitsrechtler Schulze zu Tuifly-Problemen:

So etwas gab es in dem Umfang und mit den weitreichenden Folgen in Deutschland noch gar nicht: Mit Krankschreibungen legt die Belegschaft von Tuifly fast den kompletten Flugbetrieb der Airline lahm. Doch ist das überhaupt erlaubt? Es sind vor allem Piloten und Flugbegleiter der Fluggesellschaft, die sich seit Tagen krankmelden – beim Fliegen höchst unentbehrliches Personal, entsprechend groß ist die Wirkung der Ausfälle. Allein am Freitag mussten über 100 Flüge annuliert, verlegt oder zeitlich verschoben werden.

Angesichts der Masse der Krankmeldungen kommt nur allzu schnell der Verdacht auf, es könnte sich um eine konzentrierte Aktion der Belegschaft von Tuifly handeln. Die soll ja mit Air Berlin unter einem gemeinsamen Holdingdach zu einen neuen Ferienflieger zusammengelegt werden, was nach Ansicht von Experten nicht ohne tiefe Einschnitte und Stellenabbau über die Bühne gehen dürfte. Es gäbe also durchaus triftige Gründe für die Tuifly-Mitarbeiter, gegen ihren Arbeitgeber zu protestieren.

Aber nicht über den Weg in die Arztpraxis, in der Hinsicht herrscht unter Arbeitsrechtlern Einigkeit. Nach Einschätzung des Berliner Juristen Robert von Steinau-Steinrück erfüllen falsche Krankmeldungen sogar den Straftatbestand des Betrugs: Der Arbeitnehmer erschwindele sich den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Nürnberger Arbeitsrechtler Marc-Oliver Schulze will nicht gleich ganz so weit gehen, doch auch für ihn wäre ein solches Verhalten der Tuifly-Beschäftigten „arbeitsvertragswidrig und böte Anlass für eine Abmahnung, wenn nicht gar für eine außerordentliche Kündigung“.

Kaum nachweisbar

Nur: Der Arbeitgeber müsste erst einmal nachweisen, dass eine Krankheit nur vorgegeben ist. Und schon da wird es höchst problematisch. „Das geht eigetlich nur, wenn es starke Hinweise auf ein solches Fehlverhalten gibt, etwa wenn ein schriftlicher Aufruf einer Gewerkschaft vorliegt, genau so zu handeln“, weist Schulze auf die eingeschränkten Reaktionsmöglichkeiten der Betriebe hin.

Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo wäscht auf jeden Fall schon mal die Hände in Unschuld: „Das ist definitiv kein Mittel zum Arbeitskampf für uns“, versicherte Ufo-Gewerkschafter Nicoley Baublies. Man rufe nicht zu Krankmeldungen auf und distanziere sich klar von einem möglichen Missbrauch.

Dem Gesetz nach steht es den Arbeitnehmern offen, ohne Nachweis für drei Kalendertage der Arbeit krankheitsbedingt fernzubleiben. In Betriebsvereinbarungen kann diese Frist allerdings deutlich reduziert werden – bis zur Forderung des Arbeitgebers nach einem ärztlichen Attest schon vom ersten Tag an. „Wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt, hat der Arbeitgeber in der Regel ohnehin kaum mehr eine Chance, die Krankmeldung anzufechten“, erklärt der Nürnberger Anwalt. Rein theoretisch könne der Chef die Krankheit noch durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen prüfen lassen, aber das sei in der Praxis wenig erfolgsversprechend, verdeutlicht er die rechtliche Situation.

Anders aber, so ergänzt der Arbeitsrechtler, müsse sich natürlich der Arbeitgeber in puncto sozialer Verantwortung schon die Frage gefallen lassen, ob er nicht mit seinen Plänen wie im Fall Tuifly ein solches Verhalten seiner Mitarbeiter provoziere. „Das aber“, so Schulze, „ist dann eher eine politische Diskussion.“

Das Interview wurde veröffentlicht von den Nürnberger Nachrichten http://www.nordbayern.de/.